Tenor

I. Die Auslieferung des Verfolgten ... an die Republik Polen zum Zwecke der Vollstreckung der Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Szczytno, VII. Auswärtige Strafkammer mit Sitz in Pisz, vom 27.07.2014 (Az.: ...) wird für zulässig erklärt.

II. Die Auslieferung des Verfolgten ... an die Republik Polen zum Zwecke der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Pisz vom 11.01.2018 (Az.: ...) wird für unzulässig erklärt.

 

Gründe

I.

Die polnischen Justizbehörden ersuchen mit dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Olsztyn vom 11.06.2018 (Az. ...) um die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Polen zum Zwecke der Strafvollstreckung. Mit diesem Europäischen Haftbefehl wird um die Festnahme und Übergabe des Verfolgten zum Zweck der Vollstreckung der Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Szczytno, VII. Auswärtige Strafkammer mit Sitz in Pisz, vom 27.07.2014 (Az.: ...) sowie zum Zweck der Vollstreckung der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Pisz vom 11.01.2018 (Az.: ...) ersucht.

1. Nach dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Olsztyn vom 11.06.2018 erfolgte die Verurteilung des Verfolgten durch das Urteil des Amtsgerichts Szczytno, VII. Auswärtige Strafkammer mit Sitz in Pisz, vom 27.07.2014 wegen eines am 25.03.2014 begangenen Diebstahls einer Damenhandtasche. Als anwendbare Bestimmung des polnischen Strafgesetzbuchs wird Artikel 278 Abs. 1 genannt.

2. Die Verurteilung des Verfolgten durch das Urteil des Amtsgerichts Pisz vom 11.01.2018 erfolgte nach dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Olsztyn vom 11.06.2018 wegen folgender elf Straftaten: ...

3. Am 20.07.2018 hat das Amtsgericht Bremen gegen den Verfolgten eine Festhalteanordnung erlassen. Bei seiner richterlichen Vernehmung hatte sich der Verfolgte nicht mit einer Auslieferung im vereinfachten Verfahren einverstanden erklärt. Der Senat hat mit Beschluss vom 27.07.2018 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Bremen vom 23.07.2018 einen Auslieferungshaftbefehl erlassen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 13.08.2018 beantragt, die Auslieferung hinsichtlich des Urteil des Amtsgerichts Szczytno, VII. Auswärtige Strafkammer mit Sitz in Pisz, vom 27.07.2014 für zulässig und hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Pisz vom 11.01.2018 für unzulässig zu erklären.

Der Beistand des Verfolgten hat mit Schriftsatz vom 28.08.2018 Stellung genommen und beantragt, die Auslieferung hinsichtlich beider Urteile für unzulässig zu erklären.

II.

Da der Verfolgte sich mit seiner Auslieferung nicht einverstanden erklärt hat, hatte der Senat gemäß den §§ 29, 32 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung zu befinden.

1. In Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Bremen vom 13.08.2018 war die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Polen zum Zwecke der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Pisz vom 11.01.2018 (Az.: ...) für unzulässig zu erklären.

a. Nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG ist die Auslieferung im Auslieferungsverkehr mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union unzulässig, wenn der Verfolgte bei einer Auslieferung zum Zweck der Strafvollstreckung zu der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, da die Verurteilung durch das Urteil des Amtsgerichts Pisz vom 11.01.2018 nach den Angaben im Europäischen Haftbefehl in Abwesenheit des Verfolgten erfolgte. Es liegt auch keiner der Ausnahmefälle nach § 83 Abs. 2 bis Abs. 4 IRG vor, nach denen unter den dort geregelten Voraussetzungen eine Auslieferung auch zur Vollstreckung der Strafe aus einer in Abwesenheit erfolgten Verurteilung zulässig ist.

b. Insbesondere sind die Voraussetzungen nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 IRG nicht gegeben, wonach eine Auslieferung abweichend von § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG auch dann zulässig ist, wenn der Verfolgte rechtzeitig zu der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, geladen wurde oder in anderer Weise hiervon tatsächlich Kenntnis erlangte. Nach den Angaben im Europäischen Haftbefehl sowie den weiteren Auskünften der polnischen Justizbehörden blieb der Versuch der tatsächlichen Zustellung der persönlichen Ladung des Verfolgten zur Verhandlung erfolglos. Stattdessen wurde aufgrund des Artikels 133 §§ 1 und 2 sowie des Artikels 139 § 1 der polnischen StPO eine Zustellungsfiktion begründet. Eine solche rechtliche Fiktion der Zustellung nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates steht der nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 IRG vorausgesetzten tatsächlichen Inkenntnissetzung des Verfolgten von dem vorgesehenen Ort und Termin der Verhandlung nicht gleich (vgl. EuGH, Urteil vom 24.05.2016 - C 108/16 PPU, ABL. EU 2016, Nr. C 260; KG Berlin, Beschluss vom 27.07.2017 - (4) 151 AuslA 87/17 (101/17), juris Rn. 9, StraFo 2017, 422; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.08.2017 - Ausl 301 AR 61/17, juris Rn. 7).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge