Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit der Anordnung von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung sowie des Einsatzes technischer Mittel zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten durch die Oberlandesgerichte in Auslieferungssachen. Strafprozessrecht. Auslieferung. Auslieferungshaftbefehl. Annexkompetenz. Telekommunikationsüberwachung. Einsatz technischer Mittel zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten. Sicherung der Auslieferung
Leitsatz (amtlich)
1. Die sachliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Auslieferungssachen zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung und zum Erlass eines Auslieferungshaftbefehls erstreckt sich als Annexkompetenz auch auf die Anordnung von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung sowie des Einsatzes technischer Mittel zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten zur Sicherung der Auslieferung.
2. Eines gesonderten auf die die Vornahme von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung gerichteten Rechtshilfeersuchens des ausländischen Staates bedarf es nicht, wenn diese Maßnahmen im ersuchten Staat zum Zweck der Ermittlung des Aufenthalts des Verfolgten zur Sicherung der beantragten Auslieferung angeordnet werden.
3. Ist die Telekommunikationsüberwachung in Ausübung der Annexkompetenz des Oberlandesgerichts im Auslieferungsverfahren anzuordnen, dann setzt die Anordnung dieser Maßnahme durch das Oberlandesgericht wie bei dem Erlass eines Auslieferungshaftbefehls nach § 15 Abs. 2 IRG voraus, dass die Auslieferung zumindest nicht als von vornherein unzulässig erscheint.
4. Im Übrigen sind Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten im Rahmen der Annexkompetenz zur Auslieferungsentscheidung der Oberlandesgerichte nur dann zulässig, wenn die besonderen Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Maßnahmen nach den §§ 100a, 100e, 100g, 100i StPO gegeben sind.
Normenkette
IRG §§ 13, 14 Abs. 1-2, § 15 Abs. 2, § 77 Abs. 1; StPO §§ 100a, 100e, 100g, 100i
Tenor
I. Es wird gemäß § 77 Abs. 1 IRG i.V.m. §§ 100a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. i, 100e Abs. 1, Abs. 3 und 4 StPO die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs betreffend die nachfolgend bezeichneten Mobilfunkanschlüsse für die Dauer von drei Monaten ab Beschlusserlass angeordnet: [...]
Endzeitpunkt der Maßnahme ist der 08.02.2019, 24.00 Uhr.
II. Es wird gemäß § 77 Abs. 1 IRG i.V.m. §§ 100i Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. i, 100e Abs. 1, Abs. 3 StPO angeordnet, dass für die Dauer von drei Monaten ab Beschlussfassung durch technische Mittel der Standort der von dem Verfolgten A. verwendeten Mobilfunkendgeräte (Mobiltelefone mit den Rufnummern [...]) ermittelt werden darf. Endzeitpunkt der Maßnahme ist der 08.02.2019, 24.00 Uhr.
III. Die Maßnahmen zu I. und II. werden angeordnet aufgrund des Tatvorwurfs des Menschenhandels (§ 100e Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO). Die durch die Maßnahmen zu I. und II. zu erhebenden Informationen sind von Bedeutung für das Verfahren zur Ermittlung des Aufenthalts des Verfolgten zur Sicherung seiner Auslieferung an die Französische Republik (§ 100e Abs. 3 S. 2 Nr. 4 StPO).
Gründe
1. Der Verfolgte ist von der Französischen Republik im Schengener Informationssystem zur Festnahme zum Zwecke der Auslieferung ausgeschrieben worden, wobei der Ausschreibung ein Europäischer Haftbefehl des Landgerichts Toulouse (Tribunal de Grande Instance) vom 26.06.2018 zugrunde liegt. Dem Verfolgten wird danach der Vorwurf des Menschenhandels zur Last gelegt. [...]
Das Landgericht Toulouse hat am 26.06.2018 daneben auch einen Europäischen Haftbefehl gegen den Beschuldigten B. erlassen, der darin als weiterer Beteiligter der dem Verfolgten A. vorgeworfenen Tat des Menschenhandels benannt wird. Der Beschuldigte B. wurde am 18.10.2018 in Bremen aufgrund der gegen ihn ergangenen Festnahmeausschreibung festgenommen und die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 19.10.2018 gegen ihn beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen zum Aktenzeichen [...] den Erlass eines vorläufigen Auslieferungshaftbefehls beantragt.
Eine Festnahme des Verfolgten A. ist noch nicht erfolgt und sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat mit Antrag vom 24.10.2018 die Anordnung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen zur Feststellung des Aufenthalts des Verfolgten A. beantragt.
2. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen ist für die Anordnung der beantragten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen im vorliegenden Auslieferungsverfahren gegen den Verfolgten örtlich und sachlich zuständig.
a. Nach § 14 Abs. 1 IRG sind örtlich zuständig im Auslieferungsverfahren das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird. Der Verfolgte ist allerdings bisher nicht ergriffen worden und auch in Bremen nicht einmal mehr polizeilich mit einer Wohnadresse gemeldet, so...