Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der privatschriftlich erfolgten wesentlichen Abänderung eines formbedürftigen Ehevertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abänderung eines notariell beurkundeten formbedürftigen Ehevertrages ist ebenfalls formbedürftig, auch wenn der Regelungsgegenstand als solcher allein keinen Formvorschriften unterläge.
2. Nehmen die Parteien noch vor der Eheschließung wesentliche Änderungen lediglich in privatschriftlicher Form vor, so sind nicht nur diese formunwirksam und nichtig, sondern können über § 139 BGB auch zur Nichtigkeit des notariellen Vertrages führen.
Normenkette
BGB §§ 139, 1408, 1410; BGB a.F. § 1585c
Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Aktenzeichen 153 F 821/07) |
Gründe
I. Die Parteien werden nach erneuter Beratung im Senat auf Folgendes hingewiesen:
Der Senat hält den Ehevertrag vom 11.9.1991 (UR- Nr. [...]/1991 des Notars L. in B.) wegen der Formnichtigkeit des handschriftlichen Zusatzvertrages vom 12.9.1991 für insgesamt nichtig. Er beabsichtigt daher, das Scheidungsverbundurteil des AG - Familiengericht - B. vom 29.9.2009 hinsichtlich der Entscheidung in den Folgesachen 5 (nachehelicher Unterhalt), 6 (Versorgungsausgleich), 7 (Hausratsverteilung) und 8 (Zugewinnausgleich), d.h. in Ziff. 2 - 5 des Urteils aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.
Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde:
Da der Ehevertrag vom 11.9.1991 Regelungen zum Güterrecht, Versorgungsausgleich, Hausrat und nachehelichem Unterhalt enthält, die nach dem Willen der Parteien und angesichts der Bedeutung der im Vertrag getroffenen Regelungen in einem untrennbaren Zusammenhang standen, bedurften alle Vereinbarungen der notariellen Beurkundung (BGH FamRZ 2002, 1179), auch wenn Regelungen zum nachehelichen Unterhalt nach altem Recht formfrei möglich waren (§ 1585c BGB a.F.). Die Formbedürftigkeit der Ursprungsvereinbarung ergreift aber auch alle Vereinbarungen, mit denen einzelne in dem notariellen Vertragswerk enthaltenen Regelungen abgeändert werden sollten (BGH NJW-RR 1988, 185; Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 3. Aufl., Rz. 118; MK/Einsele, BGB, 5. Aufl., § 125 Rz. 18). Die Formbedürftigkeit ergreift daher auch die Zusatzvereinbarung vom 12.9.1991. Eine Ausnahme vom Formzwang macht die Rechtsprechung nur, wenn die Änderungen nur der Beseitigung unvorhergesehener Schwierigkeiten der Vertragsanwicklung ohne wesentliche Änderung der Vertragspflicht dienen (BGH NJW 2001, 1932) oder die formbedürftige Verpflichtung des Hauptvertrages nur eingeschränkt oder geringfügig modifiziert wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Gegenteil schränkte die Zusatzvereinbarung nach ihrem Wortlaut die in der notariellen Vereinbarung enthaltene Regelung des nachehelichen Unterhalts, auf die sie ausdrücklich Bezug nimmt, wesentlich ein, sollte doch der Ehefrau für den Fall, dass sie die Schuld am Scheitern der Ehe trüge, jeglicher Unterhaltsanspruch versagt sein. Eine solche Regelung bedurfte daher ebenfalls der notariellen Beurkundung. Die Parteien waren sich über den inneren Zusammenhang und wohl auch die Formbedürftigkeit nicht im Unklaren, sollte doch der Zeuge W. das von den Parteien unterzeichnete handschriftliche Exemplar beim Notar L. abliefern. Da es zur Beurkundung der Zusatzvereinbarung aber nicht gekommen ist, ist diese nichtig.
Die Nichtigkeit der Zusatzvereinbarung führt hier auch gem. § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten ehevertraglichen Regelungswerks. Nach dem Vortrag des Ehemannes, dem die Ehefrau insoweit nicht entgegen tritt, da sie den notariellen Vertrag ohnehin aus inhaltlichen Gründen als sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit nichtig ansieht, sollten nur beide Vereinbarungen zusammen den Regelungswillen der Parteien zutreffend abbilden. Der Ehemann hat dazu ergänzend geltend gemacht, ohne die Zusatzvereinbarung hätte er die Ehe, die Wirksamkeitsvoraussetzung für die rechtlichen Wirkungen des Vertrages ist, nicht geschlossen. Aus seiner Sicht sollten also die äußerlich getrennten Regelungen zum Unterhalt der Ehefrau miteinander stehen und fallen (BGH NJW 2007, 1131; BGH, - NJW-RR 2007, 395). Dafür spricht auch der enge zeitliche Zusammenhang beider Vereinbarungen sowie der Umstand, dass beide noch vor Eingehung der Ehe getroffen worden sind. Der Wille des Ehemannes zu einer einheitlichen Regelung der Unterhaltsfrage war für die Ehefrau auch klar erkennbar und ist von ihr zumindest hingenommen worden. Er wird bekräftigt durch den Umstand, dass die Parteien den Zeugen W. beauftragt haben, die Zusatzvereinbarung noch vor der Eheschließung beim Notar L. abzuliefern. Es ist also im vorliegenden Fall nicht anzunehmen, dass die Parteien, wäre ihnen die Nichtigkeit der Zusatzvereinbarung und die Auswirkungen auf den notariellen Vertrag klar gewesen, zumindest die in der notariellen Urkunde enthaltenen Regelungen gewollt hätten. Deshalb ist gem. § 139 BGB von der Gesamtnichtigkeit aller Vereinbarungen, also auch der Nichtigkeit des notariellen Vertrages,...