Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Beschluss vom 06.09.2001)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.03.2002; Aktenzeichen 2 BvR 85/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Untergebrachten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Durch den angefochtenen Beschluss vom 06. September 2001 hat die Große Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven angeordnet, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers fortzudauern hat.

Die gegen diesen Beschluss statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde des Untergebrachten (§§ 463 Abs. III, 454 Abs. III, 306 Abs. 1, 311 Abs. II StPO) erweist sich aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses als unbegründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 08. November 2001 ausgeführt:

„Die Strafvollstreckungskammer hat mit Recht die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.

Die offenen Fragen, die zur Aufhebung des Beschlusses der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bremen vom 01.03.2000 (558) durch den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 30.06.2000 (601) geführt hatten, sind – wie die Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat – durch das neue Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Pfäfflin geklärt worden. Danach ist von folgendem auszugehen:

1. Die schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB, die das erkennende Gericht in seinem Urteil vom 02.09.1987 (HptA II 82) – gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. T. – angenommen hat, ist nach wie vor gegeben. Sie basiert – wie der neue Gutachter überzeugend dargelegt hat – auf einer schweren Persönlichkertsstörung und multiplen Störungen der Sexualpräferenz. Eine Veränderung zum Positiven hin hat nicht stattgefunden. Die schwere Persönlichkeitsstörung hat sich „im Gegenteil weiter akzentuiert” (S. 47 des Gutachtens). Für die multiplen Störungen der Sexualpräferenz hat der Vollzug „zusätzliche Belege” geliefert (a.a.O.), die der Gutachter im Einzelnen beschrieben hat.

Mit dem früheren Gutachten von Prof. Dr. R. hat sich der neue Gutachter umfassend und überzeugend auseinandergesetzt. Die von Prof. Dr. R. geäußerten Bedenken gegen das Bestehen bzw. Weiterbestehen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB sind danach als unbegründet anzusehen.

Die Strafvollstreckungskammer hat aus den Ausführungen des neuen Sachverständigen mit Recht gefolgert, dass die von dem Untergebrachten im Fall seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Taten eine Folge seiner schweren seelischen Abartigkeit sein werden. Die Bedenken, die der Verteidiger in seiner sofortigen Beschwerde insoweit vorgetragen hat, sind unbegründet. Der neue Gutachter hat sich zwar ausdrücklich nicht mit der in dem Vorgutachten von Prof. Dr. L. und Frau Dr. N. strittigen Frage der Schuldfähigkeit bei eventuellen zukünftigen Taten des Untergebrachten befasst. Das bedeutet jedoch nicht, dass er damit seine Diagnose wieder in Frage stellen oder offen lassen wollte, ob der von ihm diagnostizierte Zustand des Untergebrachten die (wahrscheinliche) Ursache der zu erwartenden weiteren Taten sein wird. Für den Gutachter erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der von den beiden Vorgutachtern aufgeworfenen Frage vielmehr allein schon deshalb, weil sich – wie er mit Recht hervorgehoben hat – die Sexualpathologie des Untergebrachten aus seiner Sicht nicht auf eine aggressionsfreie Pädophilie reduzieren lasse, sondern multiple Störungen der Sexualpräferenz vorlägen, die erhebliche aggressive Komponenten enthielten (S. 51 des Gutachtens). Im Übrigen weist er nur auf eine Selbstverständlichkeit hin, nämlich dass es im Falle der Begehung weiterer Taten ungeachtet der vorliegenden Gutachten erneut einer Prüfung bedarf, ob die neuen Taten tatsächlich Auswirkungen der hier festgestellten schweren anderen seelischen Abartigkeit des Verurteilten sind.

2. Die zweite (nach dem Vorgutachten offene) Frage – ob nämlich von dem Verurteilten (infolge seines Zustands) nach wie vor erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 StGB zu erwarten sind – ist ebenfalls zu bejahen. Der neue Gutachter hat überzeugend dargetan, dass der aggressive Charakter der Sexualstörungen des Untergebrachten nicht verharmlost werden dürfe (S. 48 des Gutachtens), „dass die der Anlasstat zugrundeliegende Tendenz zum Begehen gefährlicher Sexualdelikte an Kindern bisher in keiner Weise abgemildert, im Gegenteil mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar verstärkt ist” (S. 50 des Gutachtens). Die Strafvollstreckungskammer hat unter Hinweis auf diese Ausführungen des Sachverständigen mit Recht angenommen, dass der Verurteilte im Fall einer Entlassung mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schnell wieder straffällig werden wird und dass von ihm Straftaten „im Bereich des sexuellen Missbrauchs und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Jugendlichen zu erwarte...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge