Leitsatz (amtlich)
Ob eine letztwillige Verfügung, in der der Erblasser einen befreiten Vorerben und einen Nacherben eingesetzt sowie Testamentsvollstreckung angeordnet hat, als Anordnung der Testamentsvollstreckung für den Nacherben (§ 2222 BGB) oder als allgemeine Testamentsvollstreckung für den Vorerben mit den Aufgaben und Befugnissen nach §§ 2203 ff. BGB zu verstehen ist, ist durch Auslegung der Verfügung zu ermitteln.
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 27.02.2004; Aktenzeichen 6 T 58/04) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des LG Bremen - 6. Zivilkammer - vom 27.2.2004 wie folgt abgeändert:
Der Beschluss des AG Bremerhaven vom 9.1.2004 wird aufgehoben.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten in dem Verfahren der Beschwerde und in dem Verfahren der weiteren Beschwerde findet nicht statt.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 3.300 Euro.
Gründe
Die Erblasserin D.M.L. Sch. ist am 1.6.2003 verstorben. Sie hatte am 10.5.1994 ein privates Testament errichtet (Akte des AG Bremerhaven, Az. 7 IV 355/94, Bl. 12 f.), wonach sie den Beteiligten zu 1) zum alleinigen Erben bestimmte. Weiter heißt es: "Er ist jedoch nur Vorerbe und als solcher von allen gesetzlichen Beschränkungen befreit, soweit dies möglich ist. Als Nacherben bestimme ich die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Bremen. Den Nacherben ... setze ich zugleich als Schlusserben ein."
Die Erblasserin hat in ihrem Testament zugleich Testamentsvollstreckung angeordnet und Rechtsanwalt W, Bremerhaven, zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Sollte Herr Rechtsanwalt W. das Amt als Testamentsvollstrecker nicht annehmen oder wegfallen, möge das Nachlassgericht eine geeignete Person als Testamentsvollstrecker bestimmen. Wörtlich heißt es anschließend in dem Testament weiter: "Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, das Vermächtnis und das Nachvermächtnis zu erfüllen, ferner während der Vorerbschaft die Rechte der Nacherben wahrzunehmen."
Nach dem Tod der Erblasserin hat der anwaltlich vertretene Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, durch den er als alleiniger befreiter Vorerbe ausgewiesen werde. Der Beteiligte zu 1) hat die Ansicht vertreten, die angeordnete Testaments-vollstreckung sei wegen seiner Stellung als befreiter Vorerbe wirkungslos und entfalle deshalb.
Die Beteiligte zu 2) hat dieser Rechtsansicht widersprochen. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung durch die Erblasserin sei eindeutig; überdies sei das Testament dahingehend auszulegen, dass der Vorerbe nicht unbeschränkt über den Nachlass solle verfügen dürfen.
Mit Beschluss vom 9.1.2004 (Bl. 24 f. d.A.) hat das AG Bremerhaven einen Vorbescheid erlassen (§ 19 Abs. 1 FGG). Das AG hat in diesem Vorbescheid angekündigt, es werde einen Erbschein folgenden Inhalts erteilen:
"Die Erblasserin ist beerbt worden von A. F., geboren am 7.10.1941, allein.
Die Erblasserin hat Nacherbfolge angeordnet. Die Erbnachfolge tritt ein bei dem Tod des Vorerben. Nacherbe ist die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Bremen, vertreten durch ihren Vorstand.
Die Erblasserin hat für die Dauer der Vorerbschaft Testamentsvollstreckung angeordnet."
Zur Begründung des Vorbescheids hat das AG ausgeführt, das Testament der Erblasserin sei mehrdeutig. Offensichtlich habe die Erblasserin als juristischer Laie die in Rede stehenden Begriffe nicht im engeren rechtlichen Sinne verwendet. Die Erblasserin habe gewollt, dass die Nutzung ihres Nachlasses zunächst zu seinen Lebzeiten ausschließlich dem Beteiligten zu 1) zukomme. Genauso sei es aber ersichtlich, das dem Beteiligten zu 1) der Nachlass nicht umfassend habe zufallen sollen, sondern dass der Nachlass der Erblasserin nach dem Tod des Beteiligten zu 1) der Beteiligten zu 2) zufallen solle. Die Erblasserin habe mithin dem Vorerben keine Befreiung i.S.d. § 2136 erteilen wollen, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments, insbes. der ausdrücklichen Regelung zur Testamentsvollstreckung ergebe.
Gegen den amtsgerichtlichen Vorbescheid vom 9.1.2004 hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 15.1.2004 Beschwerde eingelegt (Bl. 27 f). Der Beteiligte zu 1) macht geltend, in dem Erbschein dürfe ein Vermerk über die angeordnete Testamentsvollstreckung nicht enthalten sein, weil diese Anordnung keinen Sinn habe; im Übrigen müsse der Erbschein einen Vermerk darüber enthalten, dass der Vorerbe befreit worden sei. Die Beteiligte zu 2) hält die in dem Vorbescheid zum Ausdruck gebrachte Ansicht des AG Bremerhaven für zutreffend.
Mit Beschluss vom 27.2.2004 hat das LG Bremen - 6. Zivilkammer - die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Bremerhaven vom 9.1.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Kombination von befreiter Vorerbschaft und Anordnung der Testamentsvollstreckung sei zwar sonderbar und eigenwillig, jedoch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht zu beanstanden; überdies lägen ...