Leitsatz (amtlich)
1.
Verzichtet die (spätere) Ehefrau, die über ein Erwerbseinkommen verfügt, das lediglich wenig mehr als die Hälfte desjenigen des (späteren) Ehemannes ausmacht, in einem Ehevertrag auf nachehelichen Unterhalt, Versorgungs- und Zugewinnausgleich, und entspricht es der Lebensplanung der Ehegatten, Kinder zu haben, wobei die (spätere) Ehefrau ihre Erwerbstätigkeit für einige Zeit ganz oder teilweise aufzugeben gedenkt, so ist regelmäßig dem Verzicht die Wirksamkeit zu versagen ( § 138 Abs. 1 BGB).
2.
An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn dem Unterhaltsverzicht im Ehevertrag die Einschränkung "soweit zulässig" hinzugefügt worden ist.
Verfahrensgang
AG Bremen (Entscheidung vom 30.01.2006; Aktenzeichen 152 F 305/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremerhaven vom 30. Januar 2006 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen dahin abgeändert, dass der Antragsgegnerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. Prozesskostenhilfe auch für die Folgesache "Zugewinnausgleich" bewilligt wird.
Die Anordnung von Ratenzahlungen bleibt dem Familiengericht vorbehalten ( vgl. Absatz II des angefochtenen Beschlusses ).
Gründe
Das Familiengericht hat der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 11.05.2004 ( Bl. 18 HA ) Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren und für die Folgesache "Versorgungsausgleich" und durch Beschluss vom 30.01.2006 ( Bl. 58 ff. HA ) teilweise für die Folgesache "nachehelicher Unterhalt" bewilligt. Den Antrag der Antragsgegnerin, ihr für die Folgesachen "Zuweisung der Ehewohnung" und "Zugewinnausgleich" Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat das Familiengericht durch den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 06.02.2006 zugestellten Beschluss vom 30.01.2006 ebenso abgelehnt wie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Folgesache "nachehelicher Unterhalt", soweit die Antragsgegnerin höheren Betreuungsunterhalts als monatlich EUR 365,00 und höheren Altersvorsorgeunterhalt als monatlich EUR 90,00 begehrt. Mit ihrer am 06.03.2006 beim Familiengericht eingegangenen sofortigen Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe für die Folgesache "Zugewinnausgleich" sowie Prozesskostenhilfe für die Folgesache "nachehelicher Unterhalt" in vollem Umfang. Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Nichtabhilfebeschluss vom 24.03.2006, Bl. 69 HA ).
Die gemäß § 127 Abs.2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet, soweit die Antragsgegnerin begehrt, ihr auch für die Folgesache "Zugewinnausgleich" Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
I.
Das Familiengericht hat der Antragsgegnerin zu Unrecht Prozesskostenhilfe für ihre Anträge zur Folgesache "Zugewinnausgleich" verweigert.
Die Antragsgegnerin ist trotz der Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung im Ehevertrag vom 12.02.1990 nicht gehindert, Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend zu machen. Der Ehevertrag vom 12.02.1990 ist nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin - entgegen der Ansicht des Familiengerichts - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
1.
Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich unterliegen zwar grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen findet jedoch dort ihre Grenze, wo der Vertrag über die Scheidungsfolgen nicht Ausdruck einer gleichberechtigten Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt ( BVerfG NJW 2001, 957 und 2248 ). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen ( BGH, FamRZ 2004, 601 ff.; BGH, FamRZ 2005, 1444 ff., BGH, FamRZ 2005, 1449 ff. ) können daher Vereinbarungen über Scheidungsfolgen, die eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung begründen, deren Hinnahme für den belasteten Ehegatten - auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - nicht zumutbar erscheint, wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein mit der Folge, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten.
Bei der für die Wirksamkeitskontrolle eines Ehevertrages vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abzustellen, insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen der vertraglichen Regelungen für die Ehegatten und die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den be...