Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienrechtliche Genehmigung bei gesellschaftsrechtlicher Abfindungsvereinbarung mit einem minderjährigen Erben
Leitsatz (amtlich)
Das Kind hat als Gesamtrechtsnachfolger seiner Mutter einen Anspruch auf Vertragsanpassung gegenüber den übrigen Gesellschaftern, wenn sich die Differenz zwischen dem Buchwertanteil der Erblasserin und ihrem Ertragswertanteil zum Todeszeitpunkt dermaßen vergrößert hat, dass ein Festhalten an der Abfindungsbeschränkung durch die gesellschaftsvertragliche Buchwertklausel nicht mehr zumutbar ist. Die Genehmigung für eine auf dem Buchwert beruhende Abfindungsvereinbarung ist dann zu versagen.
Normenkette
BGB § 1643 Abs. 1, § 1822 Nr. 3, § 242
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 02.12.2011; Aktenzeichen 64 F 3322/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Kindesvaters [...] gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 2.12.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.
Der Gegenstandswert wird auf 146.623 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kindesvater beantragt die familiengerichtliche Genehmigung von Rechtsgeschäften, die er für seine am 24.7.2005 geborene Tochter S. in Bezug auf die aufgrund der Unternehmensbeteiligung ihrer verstorbenen Mutter auf sie als Miterbin übergegangenen Rechte getätigt hat.
Nachdem die Mutter des betroffenen Kindes am 14.2.2010 gestorben ist, ist der Kindesvater für das Kind allein sorgeberechtigt. Der Kindesvater und S. sind die gesetzlichen Erben der Kindesmutter.
Die Kindesmutter war im Todeszeitpunkt mit einer Kommanditeinlage von 104.000 EUR an der B. GmbH & Co. KG und mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 6.500 EUR an der B. Verwaltungs-GmbH (Komplementärgesellschaft) beteiligt. Ursprünglich hat der Vater der Kindesmutter, Herr B., das Unternehmen als Einzelkaufmann betrieben. Im Jahr 2004 hat er sein Unternehmen in eine GmbH & Co. KG überführt. Er hat hierbei seine drei Kinder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in gleichem Umfang als Kommanditisten und als Mitgesellschafter der Verwaltungs-GmbH beteiligt.
§ 14 Ziff. IV des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co. KG sieht vor, dass im Falle des Todes eines Kommanditisten - soweit es sich nicht um B. handelt - dessen Erben aus der Gesellschaft ausscheiden und nach § 12 des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co. KG abgefunden werden. Die Abfindungsregelung lautet wie folgt:
I) In allen Fällen, in denen ein Gesellschafter ausscheidet, ist sein Auseinandersetzungsguthaben aufgrund einer besonderen Auseinandersetzungsbilanz zu ermitteln (...).
II) Die Auseinandersetzungsbilanz ist nach den gleichen Grundsätzen zu erstellen, nach denen der Jahresabschluss gem. § 7 errichtet wird. Eine Auflösung etwa vorhandener stiller Reserven findet nicht statt; ein Firmenwert ist nicht zu berücksichtigen. Das Auseinandersetzungsguthaben des ausscheidenden Gesellschafters ist die Summe oder der Saldo aus seinem Kapitalkonto I und seinen sonstigen Konten, die positives oder negatives Eigenkapital sind (...).
III) Die Gesellschafter bekunden mit Nachdruck ihren Entschluss, dass ein ausscheidender Gesellschafter nur die in den Ziffern I und II vereinbarte Buchwertabfindung erhalten soll. Sie treffen diese Feststellung in Kenntnis der rechtlichen Erörterungen über die Verbindlichkeit von Buchwertabfindungsklauseln. Die Gesellschafter begründen diese Feststellung damit, dass sie dem objektiven Interesse an einer möglichst geringen finanziellen Belastung der Gesellschaft durch ausscheidende Gesellschafter den Vorrang vor dem subjektiven Interesse eines ausscheidenden Gesellschafters an einer etwa höheren Abfindung einräumen (...).
§ 13 Ziff. I i.V.m. § 4 Ziff. III des Gesellschaftsvertrags der Verwaltungs-GmbH sieht eine Verpflichtung des Erben eines Mitgesellschafters zur Übertragung des Geschäftsanteils auf die anderen Mitgesellschafter gegen Zahlung eines Betrages vor, der dem prozentualen Anteil seiner Beteiligung am Stammkapital, Rücklagen, Bilanzgewinn und Jahresüberschuss entspricht.
Der Kindesvater hat erstinstanzlich die familiengerichtliche Genehmigung des Geschäftsanteilsübertragungs- und Abtretungsvertrages vom 2.6.2010, betreffend die Verwaltungs-GmbH, des Vollzugs der Anmeldung des Ausscheidens der Kindesmutter unter Fortführung der GmbH & Co. KG zur Eintragung in das Handelsregister und der Abfindungsvereinbarung vom 2.6.2010, betreffend die Kommanditeinlagen an der GmbH & Co. KG, jeweils auf der Grundlage der vorstehend genannten für den Tod eines Gesellschafters getroffenen gesellschaftsvertraglichen Regelungen, beantragt. Die für das betroffene Kind bestellte Ergänzungspflegerin hat einer familiengerichtlichen Genehmigung der Rechtsgeschäfte widersprochen.
Das AG Bremen hat durch Beschluss vom 2.12.2011 den Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Klausel, nach der der Kommanditist B. für den Fall seines Ausscheidens seine Nachfolge frei gestalten könne, während die Erben der übrigen Kommanditisten...