Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Abänderung eines ausländischen (hier: polnischen) Unterhaltstitels durch deutsche Gerichte
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abänderung eines ausländischen Unterhaltstitels durch deutsche Gerichte setzt zumindest seine Anerkennungsfähigkeit im Inland voraus, was inzidenter zu prüfen ist.
2. Die Abänderung der ausländischen Unterhaltsentscheidung hat grundsätzlich unter Wahrung der Grundlagen der Erstentscheidung zu erfolgen. Daher ist weiterhin ausländisches Sachrecht als Maßstab für die Abänderung selbst und für die konkrete Neubemessung des Unterhalts anzuwenden, wenn die Erstentscheidung aufgrund dieses ausländischen Sachrechts ergangen ist und es seit der Ausgangsentscheidung zu keinem Aufenthaltswechsel des Unterhaltsberechtigten gekommen ist.
Normenkette
FamFG § 238; EuUnthVO Art. 3a, 3b, 8-9, 15, 23-24, 75 Abs. 2; HUP Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2-3, Art. 12; FVGB POL Art. 58 § 1, Art. 128, 129 § 2, Art. 133 § 1, Art. 135 §§ 1-2, Art. 138
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 08.07.2016; Aktenzeichen 69 F 89/12) |
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt [...], Bremen, für die beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 8.7.2016 bewilligt.
2. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen die im Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 8.7.2016 erfolgte Verfahrenswertfestsetzung wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller ist der leibliche Vater des Antragsgegners. Von der Mutter des Antragsgegners ist er durch das polnische Gericht in [...] mit Scheidungsurteil vom 21.12.2010 geschieden worden. Mit dem Scheidungsurteil ist der Antragsteller zugleich verpflichtet worden, an den Antragsgegner zu Händen der Kindesmutter eine "Verpflegungsrente" von 160 EUR monatlich zu zahlen. Der Antragsteller, der in 2011 zu seiner Lebensgefährtin, mit der er zwei 2011 bzw. 2013 geborene Töchter hat, nach Polen übersiedelte, hat in 2012 die Abänderung des Unterhaltsausspruchs im Scheidungsurteil vom 21.12.2010 dahingehend beantragt, dass er mit Wirkung ab 1.2.2012 zu keinen Unterhaltszahlungen mehr an den Antragsgegner verpflichtet sei. Nach Einholung zweier Sachverständigengutachten zur Erwerbsfähigkeit des Antragstellers hat das AG - Familiengericht - Bremen mit Beschluss vom 8.7.2016 antragsgemäß entschieden und zugleich den Verfahrenswert auf 1.920 EUR festgesetzt. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers und dem des Antragsgegners jeweils am 15.7.2016 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 19.7.2016, eingegangen beim AG Bremen am 20.7.2016, wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers gegen die Verfahrenswertfestsetzung. Dieser Beschwerde hat das AG mit Beschluss vom 22.7.2016 nicht abgeholfen.
Mit Schriftsatz vom 8.8.2016, eingegangen beim AG Bremen am 10.8.2016, stellt der Antragsgegner einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 8.7.2016, mit der er die Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen möchte. Seinem Antrag hat er einen Entwurf der Begründung der beabsichtigten Beschwerde sowie Unterlagen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beigelegt.
Der Antragsteller beantragt, den Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Bremen vom 8.7.2016 zurückzuweisen.
II.1. Nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Beschwerde des Antragsgegners gegen die amtsgerichtliche Entscheidung vom 8.7.2016 (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO).
An der Bedürftigkeit des Antragsgegners gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114, 115 ZPO bestehen angesichts der vorliegenden Unterlagen keine Zweifel. Auch die Begründetheit der beabsichtigten Beschwerde ist gegeben, da das Familiengericht seiner Abänderungsentscheidung nicht polnisches, sondern deutsches Sachrecht als Maßstab zugrunde gelegt hat.
a) Die - auch in der Beschwerdeinstanz zu prüfende - internationale Zuständigkeit des AG - Familiengericht - Bremen ist gegeben.
Die internationale Zuständigkeit für die vorliegende Antragstellung in einem Abänderungsverfahren bezüglich eines u.a. Kindesunterhalt festsetzenden Titels beurteilt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 (EuUnthVO). Gemäß Art. 1 EuUnthVO findet die Verordnung auf Unterhaltspflichten Anwendung, die u.a. auf Verwandtschaft beruhen. Da sowohl Deutschland als auch Polen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union sind, gilt für beide Länder diese Verordnung. In zeitlicher Hinsicht findet die Verordnung gemäß Art. 76 EuUnthVO ab dem 18.6.2011 auf alle seitdem eingeleiteten gerichtlichen Verfahren Anwendung, wobei gemäß Art. 9 EuUnthVO der Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts entscheidend ist. Im vorliegenden Fall ist der Abänderun...