Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtschuldnerausgleich bei der Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft; Verjährung des Anspruchs auf Befreiung aus dem Gesamtschuldnerverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Mit der Trennung der Lebenspartner entfallen die Umstände, denen man einen besonderen, von der gesetzlich vorgesehenen Halbteilung abweichenden Verteilungsmaßstab entnehmen kann. Es kommt der gesetzliche Regelfall der Haftung zu gleichen Anteilen gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zum Zuge, sofern nicht wiederum eine anderweitige Bestimmung bzw. besondere Umstände vorliegen.
2. Schon vor der Befriedigung des Gläubigers hat jeder Gesamtschuldner gegenüber dem anderen aus § 426 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Befreiung (Freistellung) von dem Teil der Schuld, den der Mitschuldner im Innenverhältnis zu tragen hat. Dieser Anspruch wird fällig, wenn auch die Gläubigerforderung fällig ist.
3. Ansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährung gemäß § 195 BGB und entstehen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit der Begründung und Fälligkeit der Gesamtschuld im Verhältnis zwischen Gesamtschuldgläubiger und Gesamtschuldnern. Die dreijährige Verjährungsfrist läuft für den Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB - unabhängig davon, ob er auf Zahlung oder Befreiung gerichtet ist - einheitlich und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die Forderung fällig geworden ist, von der zu befreien ist.
Normenkette
BGB § 426 Abs. 1-2, §§ 195, 199 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 24.06.2015; Aktenzeichen 2 O 2209/14) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG vom 24.6.2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Gesamtschuldnerausgleich.
In den Jahren 2006 bis 2010 führten der Kläger und die Beklagte eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Im Jahre 2007 erwarb die Beklagte eine Eigentumswohnung für 360.000 EUR. Die Immobilie wurde durch zwei jeweils gemeinsam von den Parteien bei der Sparkasse [...] aufgenommene Darlehen finanziert. Der Kläger leistete während der bestehenden Lebensgemeinschaft die Kreditraten. Nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Frühjahr 2010 stellte er die Ratenzahlungen ein, woraufhin die Bank am 29.10.2010 die Darlehen kündigte und zur sofortigen Rückzahlung fällig stellte. Zu diesem Zeitpunkt war das Darlehen mit der Endnummer [...] 8 inklusive eines Vorfälligkeitsentgeltes noch in Höhe eines Gesamtbetrages von 289.727,50 EUR zurück zu zahlen; das Darlehen mit der Endnummer [...] 4 war noch hinsichtlich eines Gesamtbetrages von 132.177,33 EUR offen (Bl. 30 der Akte). Die Beklagte verkaufte die Wohnung im Dezember 2011. Der Verkaufserlös wurde zur kompletten Rückführung des Darlehens mit der Endnummer [...] 8 sowie i.H.v. 48.124,26 EUR zur Rückführung des Darlehens mit der Endnummer [...] 4 verwandt. Zur Rückführung der noch offenen Darlehensschuld von 84.053,07 EUR hinsichtlich des Darlehens mit der Endnummer [...] 4 verwertet die Bank die ihr vom Kläger zur Sicherung abgetretene Lebensversicherung bei der Allianz i.H.v. 79.726,18 EUR sowie den ebenfalls von ihm abgetretenen Bausparvertrag mit einem Erlös von 6.807,48 EUR. Zudem verlangte die Sparkasse vom Kläger eine Vergleichszahlung i.H.v. 2.500 EUR und nahm eine Kontopfändung bei ihm vor, woraus sie weitere 1.864,96 EUR erlöste. Hinsichtlich der vorgenannten Beträge hat der Kläger von der Beklagten Erstattung gemäß § 426 BGB verlangt. Die Beklagte hat die Zahlung verweigert. Gegen einen am 30.7.2014 erlassenen Mahnbescheid über 85.117,62 EUR, der der Beklagten am 2.8.2014 zugestellt worden ist, hat diese Widerspruch eingelegt. Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens hat die Beklagte Zweifel an der wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Klägers geäußert und gegen den von ihm geltend gemachten Anspruch die Einrede der Verjährung erhoben. Zudem hat sie geltend gemacht, dass dem Kläger auch deshalb kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zustünde, weil die von ihm angestrebte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe und mutwillig sei. Die streitgegenständliche Wohnung sei der Beklagten vom Kläger geschenkt worden. Die Beklagte habe damals ebenso wie heute keine nennenswerten Einnahmen. Sie sei daher nicht in der Lage gewesen, die Darlehensraten gegenüber der Sparkasse zu begleichen. Die Rückzahlung habe daher der Kläger übernommen. Die finanziellen Einbußen, die der Kläger durch seine Zahlungseinstellung gegenüber der Sparkasse erlitten habe, könne er nicht ihr, der Beklagten, anlasten. Sie habe durch Rückübertragung der Immobilie auf die ursprüngliche Verkäuferin erheblich zur Rückführung der Darlehen beigetragen. Im Übrigen sei sie prozessunfähig, wie sich aus einem ärztlichen Dokument, das sie ihrem Schriftsatz beigelegt hat, entnehmen lasse.
Das LG hat mit Beschluss vom 24.6.2015 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Kläger abg...