Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Ablehnung eines Beweisantrags auf Überprüfung der Messergebnisse eines standardisierten Messverfahrens zur Geschwindigkeitsmessung im Bußgeldverfahren. Bußgeldverfahren. Anspruch auf rechtliches Gehör. Geschwindigkeitsmessung. keine Anhaltspunkte für Messfehler

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht einen Beweisantrag auf Überprüfung der Messergebnisse eines standardisierten Messverfahrens zur Geschwindigkeitsmessung im Bußgeldverfahren nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnt, weil der Betroffene keine konkreten Anhaltspunkte für Messfehler dargetan hat.

2. Mit einem Vortrag des Betroffenen ins Blaue hinein, der nicht durch konkret festgestellte Anhaltspunkte getragen wird, sind keine konkreten Zweifel an den Messergebnissen eines standardisierten Messverfahrens zu begründen.

 

Normenkette

OWiG § 77 Abs. 2 Nr. 1, § 80 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Entscheidung vom 15.01.2020; Aktenzeichen 21 OWi 970 Js 71234/19)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen vom 16.01.2020, gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremerhaven vom 15.01.2020 die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bremerhaven hat den Betroffenen mit Urteil vom 15.01.2020 wegen einer am 04.07.2019 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h (bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h) unter Anwendung der § 24 StVG i.V.m. §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO zu einer Geldbuße von EUR 70,- verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde vom 16.01.2020, mit dem er die Ablehnung seines Antrags auf Inaugenscheinnahme der Messörtlichkeit und Auswertung und Überprüfung der Messergebnisse durch einen Sachverständigen als Verletzung rechtlichen Gehörs sowie als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt und die allgemeine Sachrüge erhebt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 14.03.2020 Stellung genommen und beantragt, den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Der statthafte (§ 80 Abs. 1 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341 StPO) und fristgerecht mit einer Begründung versehene (§§ 80 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Es ist nicht geboten, die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen. Dem Vorbringen des Betroffenen zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich der mitgeteilten Ablehnung seines Antrags auf Inaugenscheinnahme der Messörtlichkeit und Auswertung und Überprüfung der Messergebnisse durch einen Sachverständigen keine Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör zu entnehmen.

a. Ist - wie vorliegend - der vom Gericht als Beweisantrag behandelte Antrag des Betroffenen durch das Gericht beschieden worden, so kommt eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schon durch eine (lediglich) nach einfachem Recht zu Unrecht erfolgte Ablehnung der Beweiserhebung in Betracht (siehe BVerfG, Beschluss vom 07.04.1998 - 2 BvR 1827/97, juris Rn. 11, NJW 1998, 1938; Beschluss vom 06.08.2003 - 2 BvR 1071/03, juris Rn. 29, NJW 2004, 209; Beschluss vom 22.05.2015 - 1 BvR 2291/13, juris Rn. 5). Vielmehr ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs lediglich dann zu bejahen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage von zentraler Bedeutung für das Verfahren nicht eingegangen ist, sofern er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert gewesen ist (siehe BVerfG, Beschluss vom 19.05.1992 - 1 BvR 986/91, juris Rn. 39, BVerfGE 86, 133; Beschluss vom 12.09.2016 - 1 BvR 1311/16, juris Rn. 3, FA 2016, 375; BGH, Beschluss vom 09.01.2018 - VI ZR 106/17, juris Rn. 11, NJW 2018, 2730), oder aber bei einer willkürlichen Ablehnung des Beweisantrags (siehe BVerfG, Beschluss vom 24.02.1992 - 2 BvR 700/91, juris Rn. 14, NJW 1992, 2811; Beschluss vom 02.10.2003 - 2 BvR 149/03, juris Rn. 7, NJW 2004, 1443; Beschluss vom 22.05.2015 - 1 BvR 2291/13, juris Rn. 5). Als willkürlich erscheint ein Richterspruch aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht, während eine fehlerhafte Rechtsanwendung allein die Gerichtsentscheidung nicht willkürlich macht und von einer willkürlichen Missdeutung insbesondere nicht gesprochen werden kann, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und se...

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