Verfahrensgang
LG Bremen (Entscheidung vom 26.05.2005) |
AG Bremen (Entscheidung vom 28.01.2005) |
Tenor
1.
Der Beschluss des Landgerichts Bremen vom 26.05.05 sowie der Haftbefehl des Amtsgerichts Bremen vom 28.01.05 werden aufgehoben.
2.
Die sofortige Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft wird angeordnet.
Gründe
Nachdem der Angeklagte im Termin zur Hauptverhandlung vom 25.01.05 nicht erschienen ist, hat das Amtsgericht Bremen am 28.01.05 gegen ihn einen Haftbefehl gem. § 230 Abs. 2 StPO erlassen und diesen damit begründet, dass er trotz ordnungsgemäßer Ladung dem Hauptverhandlungstermin vom 25.01.05 unentschuldigt ferngeblieben sei. Die Ladung zu diesem Termin ist an den Angeklagten unter der Adresse des Therapiezentrums Psychose und Sucht in Hamburg zu Händen eines erwachsenen ständigen Mitbewohners zugesandt worden.
Auf Grund eines Haftprüfungstermines vom 15.04.05 hat das Amtsgericht Bremen den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug belassen.
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl sowie den die Untersuchungshaft bestätigenden Beschluss hat das Landgericht Bremen mit Beschluss vom 26.05.05 als unbegründet verworfen. Zu der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme ausgeführt:
"Die weitere Beschwerde ist statthaft (§ 310 Abs. 1 StPO), formgerecht eingelegt (§ 306 Abs. 1 StPO) und damit zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.
Die Zwangsbefugnisse des § 230 Abs. 2 StPO sind eine verfahrensnotwendige Ergänzung des Verbots des § 230 Abs. 1 StPO, ohne den Angeklagten zu verhandeln. Das Gericht erhält damit die Befugnis, dass ein zur Anwesenheit verpflichteter Angeklagter die Durchführung der Hauptverhandlung nicht allein durch sein Ausbleiben auf Dauer verhindern kann (LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 230 Rn. 19). Für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen nach § 230 Abs. 2 StPO reicht es jedoch nicht aus, dass der Angeklagte unentschuldigt ausgeblieben ist, sondern er muss zudem ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladen worden sein (OLG Karlsruhe MDR 1980, 868; LR-Gollwitzer, a.a.O.; § 230 Rn. 20; KMR-Paulus, StPO, § 20 Rn. 13; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 230 Rn. 18). Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.
Der Angeklagte wurde laut Zustellungsurkunde (40) am 29.09.2004 unter der Anschrift Th.str. 41 B II Therapiezentrum Psychose & Sucht 2... H.... geladen, wo er damals eine Drogentherapie absolvierte.
Bei dem Therapiezentrum handelt es sich um eine Gemeinschaftseinrichtung i.S.d. § 178 Abs. 1 ZPO. Wenn dort - wie im vorliegenden Fall - die Person, an die zugestellt werden soll, nicht angetroffen wird, kann eine wirksame Ersatzzustellung nur durch Übergabe des Schriftstücks an den Leiter oder an einen dazu ermächtigten Vertreter erfolgen (§ 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Spalten für eine solche Ersatzzustellung in einer Gemeinschaftseinrichtung enthält auch die Zustellungsurkunde (Ziffern 8.1 und 8.2). Übergeben wurde die Ladung laut Zustellungsurkunde jedoch "einem erwachsenen ständigen Mitbewohner", also einem anderen Bewohner der Gemeinschaftseinrichtung, an den eine wirksame Ersatzzustellung nicht bewirkt werden konnte.
Durch die unwirksame Zustellung der Ladung zur Hauptverhandlung fehlt eine sachliche Voraussetzung für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 230 Abs. 2 StPO. Der Haftbefehl vom 28.01.2005 ist deshalb aufzuheben.
Ob es neben der Aufhebung des Haftbefehls einer gesonderten Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Bremen vom 26.05.2005 bedürfte, obwohl die Entscheidung durch die Aufhebung des Haftbefehls gegenstandslos würde, kann dahin gestellt bleiben. Da sich die weitere Beschwerde gegen jenen Beschluss richtet und Erfolg hat, erscheint dessen Aufhebung in jedem Falle zur Klarstellung angebracht.
Nach § 309 Abs. 2 StPO ist zugleich mit der Aufhebung des Haftbefehls durch den Senat die Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft anzuordnen."
Diesen Ausführungen tritt der Senat auf Grund eigener Sachprüfung in vollem Umfang bei.
Fundstellen
Haufe-Index 2570630 |
StV 2005, 541 |