Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verpflichtung der Oberlandesgerichte im Rahmen von Klageerzwingungsverfahren zu prüfen, ob die Begründungen der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft und der Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen und die Akten eine detailliierte und vollständige Dokumentation des Ermittlungsverlaufs beinhalten.. Strafprozessrecht. Klageerzwingungsverfahren. Einstellungsentscheidungen. Begründung. Begründungsmängel. Neubescheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Aus der staatlichen Pflicht zum Schutz höchstpersönlicher Rechtsgüter (Art. 2 Abs. 2 S. 1, S. 2 GG i.V.m Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG) folgt für die Oberlandesgerichte in Klageerzwingungsverfahren die Pflicht, die Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaften und die Beschwerdeentscheidungen der Generalstaatsanwaltschaften daraufhin zu überprüfen, ob sie in ihrer Begründung den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. Sie haben in diesen Fällen auch zu kontrollieren, ob die Akten eine detailliierte und vollständige Dokumentation des Ermittlungsverlaufs beinhalten.
2. Die Erfordernisse an die Nachvollziehbarkeit der Begründung von Einstellungsentscheidungen sind in Anlehnung an die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Begründungserfordernissen bei Haftfortdauerentscheidungen auszurichten. Dies setzt regelmäßig jeweils zumindest eine in sich schlüssige und nachvollziehbare Zusammenfassung des für die Einstellungsentscheidung relevanten wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen sowie eine entsprechende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Antragstellers voraus.
3. Gravierende Begründungsmängel in den Entscheidungen der Staatsanwaltschaft oder der Generalstaatsanwaltschaft machen in der Regel eine Neubescheidung erforderlich. Nur in Ausnahmefällen kann das Oberlandesgericht in der Sache ohne eine vorherige Neubescheidung selbst entscheiden.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1 S. 2, Art. 2 Abs. 2 Sätze 1-2, Art. 6 Abs. 1; StGB § 222; StPO § 170 Abs. 1, § 172 Abs. 2-3, § 174 Abs. 1, §§ 175, 203
Tenor
Der Antrag vom 29. November 2016 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Bremen vom 26. Oktober 2016 wird als unbegründet verworfen.
Die der Antragstellerin sowie den Beschuldigten durch das Verfahren über den Antrag entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Die am [...] 1993 geborene T erhängte sich am 08.08.2014 in [...] im Haus ihrer Mutter, der Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens. Diese erstrebt die Fortsetzung des Strafverfahrens gegen die drei Beschuldigten. Bei ihnen handelt es sich um die seinerzeit behandelnden Ärzte der psychiatrischen Klinik des Klinikums [...], in dem sich die Tochter der Antragstellerin vom 09.07.2014 bis zum Tag ihres Todes am 08.08.2014 in vollstationärer Behandlung befunden hatte.
Die Tochter der Antragstellerin war am 08.07.2014 aus ihrem Studienort [...] kommend im Haus der Antragstellerin in Bremen eingetroffen. Sie machte zu diesem Zeitpunkt auf ihre Mutter einen psychisch erheblich derangierten Eindruck, weswegen letztere eine Vorstellung ihrer Tochter bei der niedergelassenen Neurologin und Psychiaterin Frau Dr. X in Bremen veranlasste. Am 09.07.2014 diagnostizierte Frau Dr. X ein ausgeprägtes depressives Syndrom und veranlasste eine unmittelbare Klinikeinweisung.
Die Tochter der Antragstellerin wurde noch am selben Tag im Krankenhaus [...] aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte auf einer offen geführten Allgemeinpsychiatrischen Station (Station [...]). Diagnostisch wurde hier eine schwere depressive Episode festgestellt. [Es folgen Ausführungen des Gerichts zur weiteren Diagnose und zu familiären Vorbelastungen im Hinblick psychische Krankheiten.] Sie gab an, suizidale Ideen zu haben, zeigte sich nach den Angaben der Behandler aber als glaubhaft absprachefähig.
In der Klinik folgte ein so genanntes multimodales Behandlungsprogramm mit spezifischen und unspezifischen Behandlungselementen. Dazu gehörten eine Morgenrunde, Ergotherapie, Entspannungsgruppe, Walking, Bewegungsgruppe, Depressionsgruppe sowie Oberarzt-Visiten. Das Befinden der Patientin war im stationären Verlauf recht wechselnd. Sie nahm an den angebotenen Therapien teil und hatte mehrfache Beurlaubungen auch außerhalb des Krankenhausgeländes, auch mit Übernachtung. Hiervon kehrte sie jeweils absprachegemäß zurück, mit einer Ausnahme, als sie mit ihrer Mutter unterwegs war und in der Klinik nicht Bescheid gesagt hatte. In der Zeit ihres Aufenthalts in der Klinik konnte sich die Tochter der Antragstellerin einen Ausbildungsplatz zur Ergotherapeutin zum 01.10.2014 sichern.
Mit dem 29.07.2014 begann die Verordnung von des Medikaments A mit 25 mg und es wurde ebenfalls eine Medikation mit dem Medikament B vorgesehen. Ab dem 02.08.2014 hat die Patientin dann 50 mg A eingenommen. B wurde ab dem 04.08.2014 in Anteilen eingenommen. So nahm sie am 04.08.2014 statt der ursprünglich vorgesehenen 2,5 mg lediglich 1,...