Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung der Pflegeeltern im Sorgerechtsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Von der grundsätzlich im gerichtlichen Ermessen stehenden Beteiligung der Pflegeperson nach § 161 Abs. 1 S. 1 FamFG darf das Gericht nicht absehen, wenn eine Hinzuziehung dem Kindeswohl dienen kann. Auf eine Betroffenheit der Pflegeperson selbst durch die zu treffende Entscheidung kommt es nicht an.
Normenkette
FamFG § 7 Abs. 3, § 161 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 03.07.2013; Aktenzeichen 60 F 1331/13) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Pflegeeltern wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 3.7.2013 dahingehend abgeändert, dass die Pflegeeltern des minderjährigen Kindes X., geboren am [...]2007, als Beteiligte an dem Verfahren des AG Bremen mit der Geschäftsnummer 60 F 1331/13 hinzugezogen werden.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht angefallen. Die Entscheidung über die im Beschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten wird der Endentscheidung des AG vorbehalten.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Es geht um die Beteiligung der Pflegeeltern des minderjährigen X. an dem seine Person betreffenden Sorgerechtsverfahren.
Der am [...]2007 geborene X. befand sich seit dem 26.6.2007 in einer Bereitschaftspflegefamilie und ist seit dem 14.7.2007 bei seinen Pflegeeltern auf Dauer untergebracht. Nach der Trennung der Pflegeeltern im Sommer 2010 wohnt X. zusammen mit der Pflegemutter in Bremen.
Nachdem der Kindesmutter zunächst mit Beschluss vom 26.6.2007 die elterliche Sorge für X. vorläufig entzogen worden war, ist ihr im Jahre 2010 vom damals zuständigen AG Velbert auch im Hauptsacheverfahren die elterliche Sorge für X. vollständig entzogen worden. Die hiergegen von der Kindesmutter eingelegte Beschwerde hat zu der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 29.2.2012 geführt. Durch dessen Beschluss ist die amtsgerichtliche Entscheidung dahingehend abgeändert worden, dass der Kindesmutter das Sorgerecht für X. nun nur noch teilweise, nämlich in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht auf Beantragung von Hilfen zur Erziehung und die Vermögenssorge entzogen ist. Insofern ist es auf das Jugendamt Bremen als Pfleger übertragen worden (Geschäftsnummer II-6 UF 74/10).
Mit Antrag vom 3.4.2013 begehrt die Kindesmutter nun, ihr die komplette elterliche Sorge für X. einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Vermögenssorge zu übertragen und anzuordnen, dass das Kind an sie herauszugeben sei. Die anwaltlich vertretenen Pflegeeltern haben am 7.5.2013 einen Antrag auf Beteiligung gestellt. Über diesen ist zunächst nicht entschieden worden. Allerdings hat das AG auf einen Terminsverlegungsantrag des Verfahrensbevollmächtigten der Pflegeeltern vom 18.6.2013 darauf hingewiesen, dass die Pflegeeltern nicht am Verfahren beteiligt seien. Hiergegen haben die Pflegeeltern am 26.6.2013 Beschwerde eingelegt, da sie den Hinweis als Ablehnung ihres Beteiligungsantrages gem. § 161 FamFG verstanden haben. Mit Beschluss vom 3.7.2013 hat das AG den Antrag der Pflegeeltern auf Beteiligung am vorliegenden Verfahren zurückgewiesen und der Beschwerde vom 26.6.2013 gegen die unterbliebene Beteiligung der Pflegeeltern nicht abgeholfen. Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten noch am 3.7.2013 per Fax übermittelten Beschluss haben die Pflegeeltern mit Schriftsatz vom 8.7.2013 beim OLG Beschwerde eingelegt.
II. Die statthafte (§ 7 Abs. 5 S. 2 FamFG, §§ 567 ff. ZPO), form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Pflegeeltern von X. sind am vorliegenden Verfahren gem. §§ 161, 7 Abs. 3 FamFG zu beteiligen.
Die Pflegeeltern gehören zu den sog. Kann-Beteiligten gem. § 7 Abs. 3 FamFG. Unter welchen Voraussetzungen sie beteiligt werden können, ist in § 161 FamFG geregelt. Danach kann in Verfahren, die - wie hier - die Person des Kindes betreffen, die Pflegeperson im Interesse des Kindes beteiligt werden, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt. Die Beteiligung der Pflegeperson steht zwar grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Allerdings darf das Gericht hiervon nicht absehen, wenn eine Hinzuziehung dem Kindeswohl dienen kann (Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 161 FamFG Rz. 3).
Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen nach § 161 Abs. 1 S. 1 FamFG für eine Beteiligung der Pflegeeltern vor. Unstreitig lebt X. bereits seit dem 14.7.2007 und somit fast von Geburt an bei seiner Pflegefamilie, so dass die Voraussetzung der bereits längeren Zeit des Kindes in Familienpflege hier ohne weiteres bejaht werden kann. Die weitere Voraussetzung, nämlich, ob die Beteiligung der Pflegeeltern im Interesse des Kindes liegt, hat der Amtsrichter nicht geprüft. Er ist in seiner Entscheidung vom 3.7.2013 vielmehr davon ausgegangen, dass eine Beteiligung der Pflegeeltern gem. §§ 7 Abs. 3, 161 FamFG nur in Betracht kommt, wenn die Pflegeperson von der zu treffenden Entscheidung betroffen...