Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Ausgangskontrolle bei Absendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax, falsche Adressierung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax übermittelt, muss sich die Ausgangskontrolle bei der Überprüfung des Sendeberichts auch darauf erstrecken, ob die zutreffende Telefaxnummer des Empfangsgerichts angewählt wurde.
2. Wird ein fristgebundener Schriftsatz nicht an das Rechtsmittelgericht, sondern an ein anderes Gericht adressiert, so kommt eine Wiedereinsetzung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn eine fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht nicht ohne weiteres zu erwarten war.
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 28.10.2010; Aktenzeichen 6 O 1698/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bremen vom 28.10.2010 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 23.12.2010 wird zurückgewiesen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf EUR 13.434,99.
Gründe
I. Die Berufung war gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Berufungsfrist (§ 517 ZPO) eingelegt worden ist.
Das erstinstanzliche Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 2.11.2010 zugestellt worden. Die Berufungsfrist endete deshalb mit Ablauf des 2.12.2010 (§ 517 ZPO). Nach § 519 Abs. 1 ZPO wird die Berufung durch Einreichung der Berufungsschrift beim Berufungsgericht, hier also beim OLG Bremen, eingelegt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Berufungsbegründung am 2.12.2010 - dem Tag des Ablaufs der Berufungsfrist - an das AG B. per Telefax übermittelt, wo es um 16:20 Uhr einging. Ausweislich der Eingangsstempel ist die Telefaxkopie beim Berufungsgericht am 3.12.2010 um 7:47 Uhr eingegangen, das Original der Berufung am 6.12.2010. Beides war nach Ablauf der Berufungsfrist.
II. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in die Berufungfsfrist vom 23.12.2010 ist gem. §§ 233 ff. ZPO zulässig, aber nicht begründet.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin begründet den Wiedereinsetzungsantrag damit, dass er - nachdem er nach Erhalt der Deckungszusage durch den Rechtsschutzversicherer am 2.12.2010 die Berufungsschrift diktiert habe - seine stets sorgfältig und zuverlässig arbeitende Büroangestellte angewiesen habe, die Berufung auf Grund des drohenden Fristablaufs vorab per Telefax an das Berufungsgericht zu übersenden. Diese Weisung habe die Büroangestellte ausgeführt. Ihr sei aber dann ein Versehen dahingehend unterlaufen, dass sie statt der Telefaxnummer des OLG die Telefaxnummer des AG Bremen herausgesucht, auf der Berufungsschrift vermerkt und in die Akte eingepflegt habe. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe nach Ausdruck der Berufungsschrift nochmals den Adressaten, die Benennung des angegriffenen Urteils sowie den Inhalt der Berufungsschrift überprüft und dann unterzeichnet. Ein Vergleich der Telefaxnummer sowohl auf dem Schriftsatz als auch in der Akte sei von der Büroangestellten nochmals bei Eingabe in das Telefaxgerät vorgenommen worden. Erst nach Kontrolle des Sendeberichts habe sie die Frist gelöscht.
Der Fehler lediglich beim Heraussuchen der Telefaxnummer rechtfertige eine Wiedereinsetzung. Zudem sei der Kausalzusammenhang unterbrochen, weil beim AG ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass es sich bei der Telefaxkopie um einen Irrläufer gehandelt habe, der umgehend an das zuständige OLG hätte weitergereicht werden müssen.
Der vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist jedoch nicht.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet, und zwar dergestalt, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und überprüft werden muss, und zwar auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer (BGH, Beschl. v. 10.5.2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412, 2413 m.w.N.). Hier hat die Klägerin zwar glaubhaft gemacht, dass die Büroangestellte ihres Prozessbevollmächtigten nach der Übermittlung der Berufungsbegründung einen Sendebericht ausgedruckt und kontrolliert hat. Fraglich ist bereits, ob eine solche Kontrolle nicht der Anwalt persönlich vornehmen muss (vgl. BGH, a.a.O.). Jedenfalls ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, dass auch überprüft wurde, ob es sich bei der aus dem Sendebericht ersichtlichen Telefaxnummer um diejenige des zuständigen OLG handelte.
Mit dieser Begründung lässt sich ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden aber nicht ausräumen. Ob in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ü...