Entscheidungsstichwort (Thema)
Trennungsunterhalt, Erwerbsobliegenheit, angemessene Erwerbstätigkeit, Ausbildungsunterhalt, fiktives Einkommen
Leitsatz (amtlich)
Wenn nicht gewichtige Umstände entgegenstehen, obliegt es einem Trennungsunterhalt begehrenden Ehegatten grundsätzlich, die von ihm zum Trennungszeitpunkt ausgeübte (Teilzeit-)Erwerbstätigkeit fortzusetzen und in der Regel nach Ablauf des Trennungsjahres in zumutbarer Weise auszuweiten; dies gilt auch für eine ungelernte Tätigkeit, wenn nicht ausnahmsweise die (hier verneinten) Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt während des Getrenntlebens vorliegen und die bisher ausgeübte Tätigkeit nach den ehelichen Lebensverhältnissen, der Ausbildung, den Fähigkeiten und dem Lebensalter des Unterhaltsgläubigers als angemessen anzusehen ist. Wenn dieser in einem solchen Falle die Erwerbstätigkeit zugunsten der Teilnahme an Sprach- und Berufsqualifizierungskursen aufgibt, ist ihm ein fiktives Einkommen zuzurechnen, weil er seine Erwerbsobliegenheit nicht erfüllt.
Normenkette
BGB § 1361 Abs. 1-2, § 1573 Abs. 1, § 1574 Abs. 2-3, § 1575
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 13.12.2011; Aktenzeichen 62 F 1092/11) |
Tenor
I. Dem Antragsgegner wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., N., Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung mit der Maßgabe bewilligt, dass Reisekosten maximal bis zur Höhe der Kosten erstattet werden, die im Falle der Beiordnung eines Unterbevollmächtigten am Gerichtsort entstünden, und zwar zum einen für die Verteidigung gegen die Beschwerde der Antragstellerin, zum anderen für seine eigene Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 13.12.2011, soweit er sich damit gegen die Verpflichtung zur Zahlung eines höheren Trennungsunterhalts als monatlich EUR 723 für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.10.2011, monatlich EUR 625 für die Zeit vom 1.11.2011 bis zum 31.12.2011 und monatlich EUR 704 (davon EUR 138 Altersvorsorgeunterhalt) für die Zeit ab dem 1.1.2012 wendet. Im Übrigen wird sein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ihre Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 13.12.2011 wird zurückgewiesen. Über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ihre Verteidigung gegen die Beschwerde des Antragsgegners wird der Senat nach Vorliegen der angeforderten aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen entscheiden.
III. Der Senat schlägt den Beteiligten den Abschluss des folgenden Vergleichs vor:
1. In Abänderung von Ziff. 2. des Beschlusses des Familiengerichts vom 13.12.2011 zahlt der Antragsgegner an die Antragstellerin Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.10.2011 i.H.v. monatlich EUR 723,00, für die Zeit vom 1.11.2011 bis zum 31.12.2011 i.H.v. monatlich EUR 625 und für die Zeit ab dem 1.1.2012 i.H.v. monatlich EUR 704 (davon EUR 138 Altersvorsorgeunterhalt).
2. Von den Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich dieses Vergleichs trägt die Antragstellerin 1/4 und der Antragsgegner 3/4.
Der Senat beabsichtigt, den Termin vom 8.3.2012 aufzuheben und das Zustandekommen des Vergleichs gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 278 Abs. 6 S. 2 ZPO festzustellen, wenn die Beteiligten bis zum 6.3.2012, 12.00 Uhr vorstehenden Vergleichsvorschlag schriftlich annehmen.
Gründe
Zu I.: Verfahrenskostenhilfe für die von ihm eingelegte Beschwerde, die sich allein gegen den Ausspruch zum Trennungsunterhalt richtet, dessen Höhe des Familiengericht auf monatlich EUR 851 festgesetzt hat, war dem Antragsgegner nur zu bewilligen, soweit er sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung eines höheren Trennungsunterhalts als monatlich EUR 723 für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.10.2011, monatlich EUR 625 für die Zeit vom 1.11.2011 bis zum 31.12.2011 und monatlich EUR 704 (davon EUR 138 Altersvorsorgeunterhalt) für die Zeit ab dem 1.1.2012 wendet. Darüber hinausgehend fehlt es seinem - auf den völligen Wegfall seiner Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt zielenden - Rechtsmittel an hinreichender Erfolgsaussicht, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 S. 1 ZPO. Der Antragsgegner greift die erstinstanzliche Entscheidung ausschließlich in dem Punkt an, dass das Familiengericht es zu Unrecht unterlassen habe, der Antragstellerin Einkünfte aus Erwerbstätigkeit fiktiv zuzurechnen. Dieser Einwand ist berechtigt, verhilft seiner Beschwerde aber nur im vorgenannten Umfang zum Erfolg.
Die Antragstellerin trifft entgegen ihrer Ansicht und der Auffassung des Familiengerichts eine Erwerbsobliegenheit, die sie durch die von ihr in der Trennungszeit belegten Sprach- und Berufsqualifizierungskurse - unabhängig von deren grundsätzlicher sozial- und arbeitsmarktpolitischer Erwünschtheit - nicht erfüllt.
Nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Un...