Leitsatz (amtlich)
Der Anlagevermittler kommt seiner Pflicht zur Risikoaufklärung nicht schon dadurch nach, dass er dem Kunden, unmittelbar bevor dieser den Anlagevertrag unterzeichnet, einen umfangreichen, auch ausführliche Aufklärungshinweise enthaltenden Prospekt über das Anlageobjekt (hier: atypisch stille Beteiligung) überreicht.
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 30.03.2004; Aktenzeichen 8 O 1544/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Bremen v. 30.3.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 9.344,02 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf 7.126,13 Euro seit dem 16.5.2001 und auf weitere 2.217,89 Euro seit dem 11.9.2003 zu zahlen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten 1. Instanz haben die Parteien wie folgt zu tragen:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 60 % und die Beklagte zu 2) 40 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin 20 % und die Beklagte zu 2) 80 % zu tragen.
Die Kosten 2. Instanz haben die Parteien wie folgt zu tragen:
Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 30 % und die Beklagte zu 2) 70 % zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 60 % und die Beklagte zu 2) 40 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin 10 % und die Beklagte zu 2) 90 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt nach Berufungsrücknahme ggü. dem Beklagten zu 1) nur noch von der Beklagten zu 2) Schadensersatz wegen der Vermittlung von zwei Besteiligungen an der sog. Göttinger Gruppe.
Die Klägerin zeichnete nach Vermittlung des Beklagten zu 1) im März 1999 zwei atypisch stille Beteiligungen an der S. AG.
Am 1.12./18.12.2000 schloss die Klägerin mit der S. AG für jede der Beteiligungen einen Aufhebungsvertrag. Durch diese Verträge wurden die Beteiligungen einvernehmlich zum Ende des Geschäftsjahres 2000 gegen Zahlung eines Betrages i.H.v. insgesamt 17.000 DM aufgehoben.
Nach Rechtshängigkeit der Klage ist die Beklagte zu 2) zunächst liquidiert und sodann am 31.7.2003 im Handelsregister gelöscht worden.
Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte zu 1) für die Beklagte zu 2) in deren Namen und Vollmacht gehandelt habe. Die Beklagte zu 2) hafte aus der Verletzung von Aufklärungspflichten aufgrund des zwischen den Parteien zustande gekommenen Anlagevermittlungsvertrages. Denn sie sei nicht in dem notwendigen Umfang über die Risiken der Kapitalanlage aufgeklärt worden. Einen Emissionsprospekt habe sie erst nach der Zeichnung der Einlage erhalten. Eine ausreichende mündliche Aufklärung sei durch den Beklagten zu 1) nicht erfolgt. Auch habe der Beklagte zu 1) nicht über die negative Presseberichterstattung, mit der die Göttinger Gruppe überzogen worden sei, aufgeklärt. Ihr stehe gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 11.437,76 Euro zu.
Der Beklagte zu 1) hat behauptet, er habe den Prospekt vor der Zeichnung übergeben und die Klägerin auch mündlich über die Risiken der Anlage aufgeklärt. Über die Presseartikel habe er nicht aufklären müssen. Die Beklagte zu 2) hat die Klage gegen sich für unzulässig gehalten. Darüber hinaus hat sie behauptet, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Beklagten zu 1) und ihr nicht bestanden habe. Beide Beklagte haben die Schadenshöhe bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils des LG Bremen v. 30.3.2004 ergänzend Bezug genommen.
Das LG hat die Klage mit Urt. v. 30.3.2004 abgewiesen, weil die Beklagten ihren Verpflichtungen aus dem Anlagevermittlungsvertrag nachgekommen seien und eine unrichtige mündliche Aufklärung durch den Beklagten zu 1) nicht kausal geworden sei.
Mit der Berufung hat die Klägerin zunächst ihre Ansprüche in voller Höhe gegen beide Beklagte weiter verfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung v. 17.9.2004 hat sie die Berufung gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen und den ursprünglichen Berufungsantrag gegen die Beklagte zu 2) um 2.093,74 Euro reduziert.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Bremen die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie 9.344,02 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.5.2001 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Klägerin v. 1.7.2004 (Bl. 317 ff. d.A.) und v. 8.9.2004 (Bl. 348 ff. d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten zu 2) v. 9.8.2004 (Bl. 338 ff. d.A.), jeweils mit Anlagen.
B. I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem noch aufrecht erhalt...