Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzthaftung: Aufklärungspflicht über das Risiko einer spinalen Ischämie bei einem infrarenalen Aorteneingriff wegen eines Bauchaortenaneurysmas. hypothetische Einwilligung des Patienten. ernsthafter Entscheidungskonflikt

 

Normenkette

BGB §§ 278, 280 Abs. 1, §§ 823, 831

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 09.07.2014; Aktenzeichen 1 O 1431/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Bremen vom 09.07.2014, Gesch.-Nr.: 1 O 1431/11, wird zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von den Beklagten aus einer von dem Beklagten zu 2) am 29.06.2010 durchgeführten Operation materiellen und immateriellen Schadensersatz. Nachdem der Kläger erstinstanzlich verschiedene Behandlungsfehler geltend gemacht hat, rügt er mit der Berufung nur noch, dass er vor dem Eingriff nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei.

Der am [...] 1944 geborene Kläger befand sich vom 28.06.2010 bis 19.07.2010 in stationärer Behandlung des Klinikums [...], dessen Trägerin die Beklagte zu 1) ist. Er wurde im Zentrum für Chirurgie, Allgemein-, Gefäß- und Visceralchirurgie durch den Beklagten zu 2) ärztlich betreut. Bei dem Kläger war im Jahre 2006 ein Bauchaortenaneurysma festgestellt worden, das in Verlaufskontrollen größenprogredient war (Anwachsen des infrarenalen Aortenaneurysmas auf über 5 cm). Daher wurde beim Kläger durch den Beklagten zu 2) am 29.06.2010 eine Aneurysmaresektion und eine Rohrprothesenimplantation durchgeführt. Eine Aufklärung des Klägers fand zuvor bei einer Voruntersuchung am 17.05.2010 und am 28.6.2010 durch die Fachärztin für Chirurgie Frau Dr. K. statt. Der Kläger unterschrieb einen entsprechenden Aufklärungsbogen (Bl. 86 d.A.), auf den ergänzend Bezug genommen wird.

Der Kläger litt nach der Operation an einer postoperativen spinalen Ischämie in Höhe BWK 8. Klinisch zeigte sich eine schlaffe Paraparese (Lähmung beider Beine), eine Blasenlähmung und Stuhlinkontinenz. Er begab sich im Anschluss an den stationären Klinikaufenthalt vom 19.07.2010 bis 09.09.2010 in der Neurologischen Klinik des Neurozentrums Niedersachsen zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, dass es bei dem Eingriff Operationsfehler gegeben habe und dazu näher vorgetragen.

Des Weiteren hat der Kläger Aufklärungsfehler gerügt. Über das Risiko einer spinalen Lähmung sei er nicht ausdrücklich aufgeklärt worden. Zudem sei er vor der Operation nicht ausreichend über mögliche Präventionsmaßnahmen prä- und intraoperativ zur Vermeidung des "Spinal-Ischämie Risikos" aufgeklärt worden. Ihm sei nicht erläutert worden, dass es dazu Techniken wie beispielsweise ein intraoperatives Neuromonitoring, Legen einer Liquorfistel oder intraoperative Dopplersonografie gebe. Die Aufklärung sei insgesamt allgemein gehalten worden und habe die Risiken, die bei ihm, dem Kläger, eingetreten seien, nicht angesprochen.

Der Kläger hat behauptet, er leide nach wie vor an den nach der Operation festgestellten Symptomen und sei dadurch erheblich in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Aufgrund der Schwere der erlittenen Verletzungen stehe ihm neben einem Schmerzensgeld auch eine Schmerzensgeldrente zu. Er könne seine Tätigkeiten in Haushalt und Garten nicht mehr ausüben und benötige daher 24,5 Stunden Hilfe pro Woche. Auch müsse er sein Haus behindertengerecht umbauen. Die Kosten beliefen sich auf EUR 20.000,00. Des Weiteren macht er Schadensersatz wegen Verdienstausfalls für Vergangenheit und Zukunft geltend, da er nicht mehr als Dozent für Luftfahrt arbeiten könne. Darüber hinaus beansprucht er den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von EUR 2.253,67.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens EUR 60.000,00 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn EUR 6.500,00 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn eine monatliche weitere Schmerzensgeldrente, beginnend ab dem 01.08.2011, jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats, in Höhe von mindestens EUR 500,00 zu zahlen;

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn EUR 21.912,80 zu zahlen;

5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn monatlich EUR 1.685,60 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

6. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen...

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