Leitsatz (redaktionell)
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegte Vertragsstrafe, die weder zeitlich noch der Höhe nach begrenzt ist und damit von den Auswirkungen der Fristüberschreitung auf den Auftraggeber gänzlich losgelöst ist, hält der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand. Mittels dieser entsteht eine unzumutbare und ungerechte Kumulierung der Vertragsstrafe, die für den Auftragnehmer binnen kurzer Frist zu dem Ergebnis führen kann, dass er nicht nur seinen gesamten Gewinn, sondern auch unter Umständen seinen Werklohn zum überwiegenden Teil oder ganz einbüßt, und im Extremfall dem Auftraggeber noch Zahlungen leisten muss.
Normenkette
ABGB § 9
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 08.10.1985) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 8.10.1985 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von DM 149.000,– abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin entsprechende Sicherheit leistet.
Die Beschwer der Beklauten beträgt DM 122.870,–.
Tatbestand
Die Beklagte, die früher …-Bau etc. hieß, ließ ab März 1984 in der F… G…-Str./…G…A…straße in Bremen ein Wohnhaus mit 32 Wohneinheiten im Bauherrenmodell errichten. Das Gebäude ist zumindest seit Anfang 1985 teilweise vermietet und bezogen.
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, erhielt den Auftrag für die Erd-, Maurer-, Beton-, Putz-, Estrich-, Kanal- und Pflasterarbeiten zum Pauschalfestpreis von DM 1.000.000,– inklusive Mehrwertsteuer. Vertragsgrundlagen waren der Bauvertrag und das Auftragsschreiben der Beklagten nebst Bauzeitenplan und Zahlungsplan, jeweils vom 6.3.1984. Mit Zusatzauftrag vom 29.3.1984 wurden der Klägerin auch die Gründungsarbeiten zum Preise von DM 36.000,– inklusive Mehrwertsteuer übertragen. Für die Vertragsbeziehungen der Parteien war die Geltung der VOB/B vereinbart.
Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten ausstehende restliche und nach ihrer Ansicht fällige Abschlagszahlungen aus dem Bauvertrag in Höhe von DM 122.870,–. Wegen der Berechnung dieses Betrages wird auf S. 4 der Klageschrift Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung einer Vertragsstrafe in Höhe von DM 217.000,– erklärt, weil die Klägerin vertraglich vereinbarte Zwischen- und Endtermine hinsichtlich der Fertigstellung der Estricharbeiten, der Außenpflasterung und Herstellung der Überfahrten um 217 Tage überschritten habe. Sie hat sich hierfür auf § 11 des Bauvertrages vom 6. März 1984 berufen, dessen Abs. 1 bis 3 folgenden Wortlaut haben:
„Für die Erfüllung der vertraglichen Leistungen gelten die im Bestellschreiben oder während der Bauzeit gesetzten Zwischen- und Endtermine gem. unterzeichnetem Terminplan. Im Falle Nichteinhaltung der Zwischen- und Endtermine ist der AG berechtigt, für jeden Tag der Überschreitung jedes einzelnen Termins den Betrag von DM 1.000,– (in Worten: eintausend) vom AN zu fordern und von den Abschlagsrechnungen bzw. der Schlußrechnung abzuziehen. Selbst wenn ein solcher Betrag erst von der Schlußrechnung abgezogen wird, gelten die zwischenzeitlichen Akontozahlungen nicht als Anerkenntnis auf Erlaß der Vertragsstrafe durch Auftragnehmer.
Sollten Hinderungsgründe entgegenstehen, welche aufgrund Verschulden Dritter die Zwischen- und Endtermine nicht einhalten lassen, so sind solche Gründe dem AG unverzüglich schriftlich mit Begründung anzuzeigen.
Der AN haftet über die vereinbarte Konventionalstrafe hinaus bei Nichteinhaltung des Endtermins dem AG gegenüber für alle diesem hierdurch entstehenden Schäden und Nachteile im vollen Umfange. Der AN erklärt hierdurch ausdrücklich, im Besitz genügender Materialien und Arbeitskräfte zu sein, um die Arbeiten zu dem vorgeschriebenen Termin fertigstellen zu können. Der AG ist berechtigt, sich jederzeit von der Richtigkeit der abgegebenen Erklärung zu überzeugen.”
Diese Regelung wird ergänzt durch einen Passus im Auftragsschreiben vom 6.3.1984, wonach die Vertragsstrafe verfällt, wenn die Klägerin bei der Terminsüberschreitung in Verzug gerät und Nachfolgehandwerker behindert.
Darüber hinaus hält die Beklagte die geltend gemachte Forderung wegen ausstehender Festarbeiten im Werte von DM 89.500,– gemäß der Aufstellung vom 18.1.1985 (Bl. 31 Rs) noch nicht für fällig. Hilfsweise hat die Beklagte wegen nicht behobener Mängel aus der Mängelaufstellung vom 18.1.1985 (Bl. 31 Rs) und vom 2.4.1985 (Bl. 61/641), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.
Die Klägerin hat die angeblichen Terminüberschreitungen substantiiert bestritten und hält die Vertragsstrafenforderung der Beklagten für unbegründet. Darüber hinaus hat sie im einzelnen bestritten, daß noch Restarbeiten ausstehen und Mängel zu beseitigen seien. Auf ihre Schriftsätze vom 21.6., 26.4. (Eingangsdatum bei Gericht), 16.9. und 4.10.1985 (Eingangsdatum bei...