Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verwechslungsgefahr einer Marke ("Energiekontor")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem Berufungskläger steht es grundsätzlich auch im einstweiligen Verfügungsverfahren frei, die Berufungsbegründungsfrist auszuschöpfen. Ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist kann im Hinblick auf die Notwendigkeit, einem erst in der Berufungsinstanz eingeschalteten Patentanwalt eine Einarbeitung zu ermöglichen, jedenfalls dann unschädlich sein, wenn erst das erstinstanzliche Urteil der Verfügungsklägerin Anlass gab, einen ausgewiesenen Spezialisten einzuschalten.

2. Die nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bzw. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV festzustellende Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der geschützten Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt.

 

Normenkette

MarkenG § 14 Abs. 5, § 15 Abs. 4, § 23 Nr. 2, § 30 Abs. 1, 3; GMV Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. b, Art. 14; UWG § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 14.04.2011; Aktenzeichen 9 O 232/11)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des LG Bremen, 9. Zivilkammer, vom 14.4.2011 wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten der Berufung.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist die Holding für den seit 1990 im Bereich der erneuerbaren Energien unter der Unternehmenskennzeichnung "Energiekontor" tätigen Zusammenschluss diverser Unternehmen mit dem Schwerpunkt im Bereich der Entwicklung und dem Vertrieb von Windparks. Die Klägerin selbst - eine börsennotierte AG - besteht seit 2000.

Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke (GM) [...] (Wort-/Bildmarke) "EnergieKontor" für die Klassen 7 und 42 mit Priorität 28.2.2002 und Lizenznehmerin mit dem Recht, Klage wegen Markenverletzung zu erheben, der Deutschen Marke (DE) [...] (Wort-/Bildmarke) "EnergieKontor" für die Klassen 36, 37, 39, 40, und 42 mit Priorität 31.12.1998 sowie der Wort-Gemeinschaftsmarke "ENERGIEKONTOR" (GM) [...] der Klassen 36, 37, 40 und 42 mit Priorität 31.12.1998. In der Berufung stützt sich die Klägerin ferner auf die Deutsche Marke (DE) [...] (Wort-/Bildmarke) "Energiekontor" mit Priorität 28.9.2001 für die Klassen 7 und 42.

Der Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) ist als selbständiger Energieberater in S. mit einem Büro auf F. tätig. Er erstellt u.a. Energiekonzepte und macht Vorschläge über Einsparmöglichkeiten im Energieverbrauch. Er handelt unter der Unternehmensbezeichnung "Energiekontor-J[...]" und bietet seine Dienstleistungen unter der Domain www.energiekontor-j[...].de an.

Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie einen Verstoß gegen § 15 Abs. 2 MarkenG und hat im Wege der einstweiligen Verfügung einen entsprechenden Unterlassungstitel beantragt. Einen weiteren Antrag auf Freigabe der für den Beklagten registrierten Domain nebst Internetadresse www.endergiekontor-j[...].de bei der DENIC durch diesen hat die Klägerin vor Zustellung der Antragsschrift zurückgenommen.

Das LG Bremen, 9. Zivilkammer, hat durch den Vorsitzenden Richter mit einstweiliger Verfügung vom 15.2.2011 dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln es untersagt, im Geschäftsverkehr oder zum Zwecke der Werbung die Unternehmenskennzeichnung "Energiekontor" oder "Energiekontor-J[...]" zu verwenden, und dem Antragsgegner 80 % der Verfahrenskosten auferlegt.

Auf den Widerspruch des Beklagten hat das LG Bremen mit Urteil vom 14.4.2011 die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gem. § 14 Abs. 5 MarkenG bestehe nicht. Zwischen den Marken "Energiekontor" und dem Zeichen "Energiekontor-J[...]" bestehe keine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Das Gericht unterstelle eine hohe Ähnlichkeit zwischen den jeweiligen Dienstleistungen der Parteien. Die Marke "Energiekontor" verfüge allenfalls über schwache Kennzeichnungskraft, denn dieses aus den Bestandteilen "Energie" und "Kontor" (= Büro) zusammengesetzte Wort habe rein beschreibenden Charakter. Ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise verstehe hierunter ein Büro, das in irgendeiner Weise auf dem Gebiet der Energie tätig sei. Auch die mit der lediglich allgemein gehaltenen Umschreibung verbundene begriffliche Unbestimmtheit stehe der Annahme einer beschreibenden Sachangabe nicht entgegen (BGH GRUR 2002, 952, 953, DeutschlandCard). Es bestehe jedoch keine Zeichenähnlichkeit, so dass eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben sei. Zeichenidentit...

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