Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Schadensabrechnung; zulässiger Verweis auf eine "freie Fachwerkstatt" im Rahmen der Schadensminderungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschädigte darf seiner (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 20.10.2009 - VI ZR 53/09, NJW 2010, 606).
2. Der Schädiger kann den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminde-rungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mü-helos und ohne weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gege-benenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (im Anschluss an BGH, Urt. v. 20.10.2009 - VI ZR 53/09, NJW 2010, 606).
3. Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn das Fahrzeug des Geschädigten älter als drei Jahre - gerechnet vom Datum der Erstzulassung - ist und das Fahrzeug bereits wegen eines vorangehenden Schadens in einer "freien Fachwerkstatt" repariert wurde.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2, § 254 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 09.09.2010) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Bremen vom 9.9.2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15.7.2009 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein Ford Mondeo, Erstzulassung 29.5.2006 mit einer Laufleistung zum Unfallszeitpunkt von 41.625 km, beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf die Kosten einer von der Beklagten benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens einer markengebundenen Vertragswerkstatt abrechnen kann.
Nachdem sich die Parteien in erster Instanz in einem Teilvergleich geeinigt hatten, hat das LG die darüber hinausgehende Klage des Klägers bezüglich weiterer Reparaturkosten abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger lediglich Anspruch auf Erstattung fiktiver Reparaturkosten einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt habe. Eine entsprechende Verweisung der Beklagten sei im vorliegenden Fall für den Kläger nicht unzumutbar.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter. Ausdrücklich greift der Kläger in der Berufung nur die Abweisung des Differenzbetrages der Reparaturkosten an. Er rügt eine fehlerhafte Abwägung des LG bei der Frage der Zumutbarkeit des Verweises auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt. Der Aspekt, dass der Kläger fiktiv abrechne, auf den das LG abgestellt habe, habe nicht zu Lasten des Klägers gehen dürfen, denn auch in der Grundsatzentscheidung des BGH vom 20.10.2009 (BGH NJW 2010, 606 ff.) sei eine fiktive Abrechnung erfolgt. Dass das Fahrzeug des Klägers nur knapp über drei Jahre alt war, der einwandfreie und überdurchschnittliche Zustand des Fahrzeugs sowie die unterdurchschnittliche Laufleistung hätten daher bei der Abwägung zu dem Ergebnis führen müssen, dass der Verweis auf eine alternative Reparaturmöglichkeit vorliegend unzumutbar sei. Dieses Abwägungsergebnis werde durch weitere Aspekte gestützt: Der Kläger habe auch nach Ablauf der Garantie- und Gewährleistungsfrist den weiteren Weg in eine markengebundene Fachwerkstatt auf sich genommen, um Reparaturen und Wartung durchführen zu lassen. Auch dass das Fahrzeug tatsächlich erst am 6.11.2006 mit einem Kilometerstand von 6 gekauft worden sei - der Kläger es also weniger als drei Jahre gefahren habe- hätte bei der Abwägung zugunsten des Klägers berücksichtigt werden müssen. Die von der Beklagten angebotene Reparatur sei auch nicht gleichwertig. Dies werde durch Ergebnisse der Stiftung Warentest belegt. Der Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug kurz vor dem Unfall bei der Firma A. über den TÜV gebracht habe, führe zu keiner anderen Bewertung.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.080,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Verweis auf die neue Rechtsprechung des BGH. Ergänzend führt sie aus, dass die Berufung bereits unschlüssig sei hinsichtlich eines ...