Leitsatz (amtlich)

Eine unzulässige Überbeschleunigung, die vom Gesetzgeber mit der Einführung der Verspätungsvorschriften nicht bezweckt war, liegt vor, wenn die Klageerwiderung am Tage nach Fristablauf um 00.03 Uhr eingeht, ein Beweisbeschluss aber auch bei fristgemäßem Eingang der Klageerwiderung frühestens an diesem Tag zu Beginn der üblichen Arbeitszeit hätte ergehen können.

 

Normenkette

ZPO § 276 Abs. 1 S. 2, § 296 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 12.06.2008; Aktenzeichen 6 O 1746/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bremen vom 12.6.2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG Bremen zurückverwiesen.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente.

Der Kläger war seit dem 21.3.2003 aufgrund von Polyarthralgien unklarer Zuordnung in Behandlung einer Rheumatologin. Am 9.5.2003 wurde ein Verdacht auf postinfektiöse reaktive Arthritis festgestellt; eine beginnende seropositive chronische Arthritis konnte nicht ausgeschlossen werden. Eine solche Erkrankung heile laut Attest bei immunkompetenten Patienten jedoch meist rasch aus. Am 28.10.2003 wurde dem Kläger attestiert, dass sich der Ausbruch einer chronischen Polyarthritis nicht ausmachen lasse und es zu einer langsamen Besserungstendenz gekommen sei.

Am 28.5.2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ). Der Versicherungsantrag kam in der Weise zustande, dass der Agent der Beklagten den Kläger befragte und den Antrag ausfüllte. Der Agent kreuzte neben der Frage nach Krankheiten, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen, deretwegen der Kläger in den letzten 10 Jahren in Behandlung gewesen sei, "nein" an. Weiter unten gab er "Schwellung. Gelenk des rechten Mittelfingers ohne körperliche Beeinträchtigung. Keine ärztl. Behandlung notwendig lt. Dr. K. 08/2003" an.

Seit dem 15.6.2004 wurde der Kläger wegen des Verdachts auf eine beginnende chronische Polyarthritis behandelt. Untersuchungen vom 02.07. und 5.7.2004 zeigten initiale Arthroseanzeichen beider Großzehengrundgelenke, leichte Entzündungen einzelner Gelenke sowie degenerative Veränderungen im Schultergürtelgelenk.

Unter dem 9.7.2004 nahm die Beklagte den Antrag des Klägers auf Abschluss einer BUZ an. Die monatlich garantierte Rente im Versicherungsfall betrug danach ursprünglich 800 EUR. Infolge der Dynamisierung erhöhte sie sich inzwischen auf 838,71 EUR. Das Versicherungsverhältnis endet zum 31.1.2035.

Im August 2004 wurde eine chronische, seropositive Polyathritis (Rheumaerkrankung) beim Kläger diagnostiziert. Sein Zustand verschlimmerte sich stetig. Spätestens am 28.9.2006 beantragte er bei der Beklagten die Leistung einer Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1.10.2006. Daraufhin erklärte die Beklagte unter Berufung auf die §§ 16 ff. VVG a.F. den Rücktritt vom Vertrag und verweigerte die Leistung.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.064,52 EUR nebst 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz und zwar aus 838,71 EUR seit dem 1.10.2006, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.11.2006, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.12.2006, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.1.2007, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.2.2007, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.3.2007, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.4.2007, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.5.2007, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.6.2007, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.7.2007, aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.8.2007 sowie schließlich aus weiteren 838,71 EUR seit dem 1.9.2007 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger ab dem 1.10.2007 eine jährliche Barrente i.H.v. 10.064,52 EUR, in monatlichen Teilbeträgen zu jeweils 838,71 EUR im Voraus zu zahlen, längstens jedoch bis zum 31.7.2035,

3. festzustellen, dass der dynamische Mehrbetrag gem. § 1 Abs. 6 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus der Versicherung Nr.: 1FV-6148119 jährlich zur Erhöhung der Versicherungssumme der Hauptversicherung verwendet wird,

4. festzustellen, dass der Kläger bezüglich der Versicherung Nr.: 1FV-6148119 bis zum vertraglich vereinbarten Ende beitragsfrei versichert ist.

5. Hilfsweise hat der Kläger beantragt, festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 22.3.2007 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Am 8.11.2007 ist der Beklagten die Klage zugestellt worden mit der Aufforderung, sich innerhalb von 2 Wochen zur Verteidigungsbereitschaft zu erklären und gegebenenfalls innerhalb einer weiteren Frist von 3 Wochen eine schriftliche Klageerwiderung einzureichen. Die Verteidigungsanzeige ist am 22.11.2007 per Fax bei Gericht eingegangen. Auf Antrag ist die Frist zur Klageerwiderung stillschweigend auf den 14.1.2008 verlängert worden. Mit Schrifts...

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