Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen einer GmbH, wenn ein Gesellschafter krankheitsbedingt kurzfristig nicht an der Gesellschafterversammlung teilnehmen kann
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zustellung einer Klage ist noch "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO, wenn diese innerhalb einer vorgesehenen Klagefrist (hier: Monatsfrist entsprechend § 246 Abs. 1 AktG) bei Gericht eingeht, die Zustellung der Klage auf Bitten des Klägers wegen laufender Vergleichsverhandlungen aber erst 7 Tage später und damit nach Ablauf der Frist bewirkt wird.
2. Ist ein Gesellschafter einer GmbH krankheitsbedingt kurzfristig verhindert, an einer Gesellschafterversammlung teilzunehmen, in der eine Kapitalerhöhung beschlossen werden soll, muss auf das Teilnahmerecht des Gesellschafters jedenfalls dann keine Rücksicht genommen werden, wenn umgehende Maßnahmen die Kapitalerhöhung erfordern, der Gesellschafter über die wesentlichen Informationen und Unterlagen zur beabsichtigten Kapitalerhöhung verfügt und sich aus der Vorkorrespondenz ergibt, dass er mit der Kapitalerhöhung und dem dazu vorgesehenen Verfahren grundsätzlich einverstanden ist.
Normenkette
AktG § 241 Nrn. 1, 5, § 243 Abs. 1-2, §§ 246, 249; GmbHG § 9 Abs. 1, § 55 Abs. 1; ZPO §§ 167, 531 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 13 O 22/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Bremen, 3. Kammer für Handelssachen, vom 11.9.2009 teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit vorliegender Klage gegen die Wirksamkeit von drei Gesellschafterbeschlüssen, welche im Rahmen einer Gesellschafterversammlung der Beklagten gefasst wurden.
Der Kläger ist neben den Herren AG, PK, TS und FS Gesellschafter der Beklagten. Die Gesellschaft war im September 2004 mit einem Stammkapital von 50.000 EUR gegründet worden; die Anteile hieran betrugen für Herrn AG 5.000 EUR, für die anderen vier Gesellschafter jeweils 11.250 EUR. Nach § 10 der Satzung ist die Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung "nur binnen der Frist nach AktG, also eines Monats, möglich".
Die Beklagte führte am 19.12.2008 eine außerordentliche Gesellschafterversammlung durch, zu der der Kläger mit der ihm spätestens am 8.12.2008 zugegangenen Einladung vom 4.12.2008 geladen wurde; diese enthielt die vorgesehenen Beschlussentwürfe zu den zwei Tagesordnungspunkten.
Der Kläger will am 3.12.2008 an der Schilddrüse operiert worden sein. Per Fax vom 15.12.2008 unterrichtete dessen Prozessbevollmächtigter die Beklagte von der Operation, ferner, dass er selbst seit Montag der letzten Woche sich im Krankenhaus befinde, eine Vorbereitung nicht möglich sei und deshalb um Verlegung der Gesellschafterversammlung gebeten werde. Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr AG, antwortete mit Fax vom selben Tage unter Hinweis auf die bereits großzügig bemessene Einladungsfrist von zwei Wochen, dass eine Terminsverlegung leider nicht möglich sei, weil man auf die schnelle Kapitalerhöhung wegen der Krise angewiesen sei und eine Verpflichtung ggü. der Hausbank bestehe, diese noch in diesem Jahr umzusetzen. Um Entsendung eines Vertreters, z.B. Herrn D (Steuerberater) werde gebeten.
Mit Fax vom 19.12.2008, der Beklagten zugegangen um 11:14 Uhr, teilte eine Mitarbeiterin des Klägers, Frau L, im Auftrag des Klägers der Beklagten zu Händen des Herrn PK Folgendes mit:
"wie Dir S (Anm.: der Klägervertreter) bereits mitgeteilt hat, bin ich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage an der heutigen Gesellschafterversammlung teilzunehmen. Ich gehe davon aus, dass Ihr den Beschluss zur Erhöhung des Stammkapitals auf 450.000 EUR, mit dem Ziel die Gesellschaft nextpractice fortführen zu können, treffen werdet.
Bitte teile mir doch die aktuelle Bankverbindung mit, so dass ich meine 90.000 EUR zur Kapitalerhöhung anweisen kann."
Mit Fax ebenfalls vom 19.12.2008, 12:59 Uhr, bestätigte Herr AG für die Beklagte den Zugang des Faxes und teilte dem Kläger die Bankverbindung mit unter Beifügung eines Entwurfs des Protokolls zu TOP 1 (Beschlussfassung zur Kapitalerhöhung) sowie einer vorbereiteten Übernahmeerklärung mit dem Hinweis, dass diese bis zum Ablauf der
Übernahmefrist an demselben Tag um 24:00 Uhr in notariell beglaubigter Form der Gesellschaft vorliegen müsse.
In der Gesellschafterversammlung fassten die anwesenden Gesellschafter AG, PK sowie TS und FS jeweils einstimmig u.a. folgende Beschlüsse:
"1. Das Stammkapital der Gesellschaft wird von 50.000 EUR um einen Betrag von 400.000 EUR auf 450.000 EUR erhöht. Die Kapitalerhöhung erfolgt durch Bildung neuer Geschäftsantei...