Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Kriterium der Nachteiligkeit des für den Vertretenen abgeschlossenen Rechtsgeschäfts als Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht setzt voraus, dass es für den Vertretenen nachteilig ist. (Anschluss an BGH, Urteil vom 29.10.2020 - IX ZR 212/19, juris Rn. 9 und 10, WM 2020, 2287)

2. Maßstab für das Kriterium der Nachteiligkeit des für den Vertretenen abgeschlossenen Rechtsgeschäfts als Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist eine Nachteiligkeit im materiellen Sinne. Es wird damit ein Verstoß gegen die Interessen des Vertretenen vorausgesetzt und es sind nicht in Anlehnung an die Regelungen der §§ 181 und 107 BGB nur Rechtsgeschäfte, die lediglich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehen, sowie nicht nachteilige Geschäfte im Sinne von neutralen oder lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäften von der Unwirksamkeitsfolge ausgenommen (Fortführung von BGH, Urteil vom 29.10.2020 - IX ZR 212/19, juris Rn. 10).

3. Das Vorliegen eines solchen (materiellen) Interessenverstoßes als Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist zu beurteilen anhand der Interessenlage des Vertretenen im Moment der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Darlegungs- und beweisbelastet ist hierfür die Partei, die sich auf die Unwirksamkeit des Vertretergeschäfts beruft. (Anschluss an BGH, Urteil vom 29.10.2020 - IX ZR 212/19, juris Rn. 11)

4. Anders als bei einem Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht liegt bei einer Abtretung mit anschließender Rückabtretung kein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung nach § 263 ZPO vor. (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 04.05.2005 - VIII ZR 93/04, juris Rn. 15, NJW 2005, 2004 und Anschluss an BGH, Urteil vom 08.05.2007 - XI ZR 278/06, juris Rn. 17, WM 2007, 1241)

5. Bei einer Abtretung mit nachfolgender Rückabtretung erstreckt sich das Vertragsstatut für den ersten Abtretungsvertrag grundsätzlich auch auf einen hierauf bezogenen Aufhebungsvertrag.

6. Ein Erfordernis, dass die Vereinbarung einer Abtretung und deren Vollzug in zwei getrennten Akten erfolgen müssen, sieht das Gesetz in § 398 BGB nicht vor.

 

Normenkette

BGB §§ 107, 181, 204 Abs. 1 Nr. 1, § 398; HGB § 15 Abs. 2, § 126 Abs. 2; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5; Rom-I-VO Art. 14 Abs. 1; ZPO § 263

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 2 O 664/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22.11.2018 abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

Zur Tabelle des Insolvenzverfahrens mit dem Aktenzeichen 504 IN 21/14, Amtsgericht Bremen, wird eine Forderung der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin C. GmbH & Co. KG MS "D." aus Darlehensvertrag in Höhe von EUR 27.122,82 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 04.11.2014 bis zum 31.12.2017 als nachrangige Insolvenzforderung festgestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, die von dem Nebenintervenienten zu tragen sind.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Gegenstandswert der Berufung wird auf EUR 27.122,82 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Feststellung einer Forderung aufgrund eines Darlehensvertrags zur Insolvenztabelle.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. GmbH & Co. KG MS "D." (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin), über deren Vermögen am 04.11.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Die Klägerin gewährte der Insolvenzschuldnerin in den Jahren 2010 bis 2014 zahlreiche Darlehen. Am 24.01.2013 schloss die Klägerin mit der Insolvenzschuldnerin den streitgegenständlichen Darlehensvertrag über einen Betrag von EUR 27.122,82. Der Darlehensvertrag wurde für beide Vertragsparteien unterzeichnet durch Herrn F.

Persönlich haftende Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin war die G. GmbH MS "H.", die ausweislich der Handelsregistereintragungen vom 02.03.1998 (Anlage K13, Bl. 122) bzw. 18.08.2006 (Anlage B1) mit der Befugnis ausgestattet war, im Namen der Insolvenzschuldnerin mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Alleiniger Gesellschafter wie auch Geschäftsführer der G. GmbH MS "H." war bis zum 12.11.2014 Herr F., der ausweislich des Hand...

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