Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschleunigungsrüge/Beschleunigungsbeschwerde: Kein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot bei sachlich begründeter Terminsverlegung
Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen (§ 155 Abs. 1 FamFG) liegt nicht vor, wenn ein zunächst innerhalb der Monatsfrist des § 155 Abs. 2 Satz 2 FamFG anberaumter Erörterungstermin aus sachlichen Gründen (hier: Verhinderung von Amtsvormund und Verfahrensbeistand, Abwarten des Ergebnisses einer klinischen Untersuchung bei bestehendem Verdacht des sexuellen Missbrauchs) mehrfach verlegt wurde.
Normenkette
FamFG §§ 155, 155b, 155c
Verfahrensgang
AG Bremen (Aktenzeichen 67 F 1486/17) |
Tenor
Die Beschleunigungsbeschwerde der Kindeseltern gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 07.06.2017 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kindeseltern.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 1.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Kindeseltern rügen, dass die bisherige Verfahrensdauer in der vorliegenden Kindschaftssache nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach § 155 Abs. 1 FamFG entspricht (Beschleunigungsrüge).
Durch Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 13.01.2017 (Geschäfts-Nr. 67 F124/17 EASO) wurde den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht, öffentliche Hilfen zu beantragen, für ihren Sohn X. vorläufig entzogen und dem Amt für Soziale Dienste als Pfleger übertragen. X. befindet sich aktuell im Y.-Haus. Diesen Beschluss hat der Senat im Beschwerdeverfahren bestätigt (Gesch.-Nr. 4 UF 31/17).
Durch Antrag vom 05.05.2017, der am gleichen Tag beim Amtsgericht Bremen eingegangen ist, beantragten die Kindeseltern, den Umgang mit ihrem Sohn zu regeln. Durch Beschluss vom 10.05.2017 hat das Amtsgericht den bereits in den parallel geführten Sorgeverfahren bestellten Verfahrensbeistand bestellt und mit Verfügung vom gleichen Tage einen Erörterungstermin für den 01.06.2017 anberaumt. Mit Schreiben vom 11.05.2017 und 18.05.2017 teilte die Amtsvormündin mit, dass sie wegen Dienstabwesenheit an dem Termin vom 01.06.2017 nicht teilnehmen könne. Sie bat gleichzeitig um Terminsverlegung, da sie ihre Anwesenheit für zwingend notwendig erachte. Mit Schreiben vom 23.05.2017 wies die Amtsvormündin darauf hin, dass der Kinderarzt von X. in einer Untersuchung des Anus eine deutliche Enge festgestellt habe, welche auch narbig verursacht worden sein könne. Deshalb sei ein Operationstermin für den 09.06.2017 in der Kinderklinik angesetzt worden. Es sei zwingend erforderlich, den abschließenden Befund abzuwarten, bevor das Umgangsverfahren weitergeführt werde. Durch Verfügung vom 24.05.2017 hob das Amtsgericht den Termin vom 01.06.2017 auf und beraumte einen neuen Termin für den 14.07.2017 an. Begründet wurde die Terminsverlegung damit, dass wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zunächst das Ergebnis der Untersuchung in der Kinderklinik vom 09.06.2017 abgewartet werden solle und die Vertreterin der Amtsvormundschaft am 01.06.2017 verhindert sei. Mit Schreiben vom 24.05.2017 bat der Verfahrensbeistand wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit vom 04.07.2017 bis 24.07.2017 um erneute Terminsverlegung. Der Termin wurde sodann vom 14.07.2017 auf den 27.07.2017 verlegt.
Mit Schriftsatz vom 30.05.2017 legten die Kindeseltern Beschleunigungsrüge nach § 155b FamFG ein. Zur Begründung führten sie aus, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspreche. Anders als in § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG statuiert, finde ein Erörterungstermin nicht spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens, sondern erst nach zehn Wochen statt, obwohl die Amtsvormündin mitgeteilt habe, dass sie ab dem 13.06.2017 wieder Termine wahrnehmen könne. Warum das Gericht aber gleichwohl Termin erst am 14.07.2017 angesetzt habe, sei auch unter Berücksichtigung des Untersuchungstermins vom 09.06.2017 nicht ersichtlich. Zudem sei zu beachten, dass der fehlende Umgang auch das Gutachten im parallelen Sorgerechtsverfahren beeinflussen könne.
Durch Beschluss vom 07.06.2017 hat das Amtsgericht die Beschleunigungsrüge der Kindeseltern zurückgewiesen, weil ein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot nicht vorliege. Die Terminsverlegungen seien deshalb erforderlich gewesen, weil die Anwesenheit der Kindeseltern, der Amtsvormündin und des Verfahrensbeistandes für zwingend erforderlich erachtet werde und zudem die Untersuchung X.s in der Kinderklinik habe abgewartet werden sollen. Eine Terminierung zu einem früheren Zeitpunkt sei nicht möglich, weil sich der zuständige Dezernent vom 08.06.2017 bis 04.07.2017 nicht im Dienst befinde.
Mit Schriftsatz vom 14.06.2017 legten die Kindeseltern gegen den ihnen am 12.06.2017 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 07.06.2017 Beschleunigungsbeschwerde nach § 155c FamFG ein. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liege sehr wohl ein Verstoß gegen das V...