Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen bei Tod eines Nießbrauchsberechtigten; Umschreibung eines Vollstreckungstitels, der Ansprüche des verstorbenen Nießbrauchsberechtigten aus §§ 985, 1004 BGB feststellt
Leitsatz (amtlich)
1. Zwar erlischt der Nießbrauch gem. § 1061 S. 1 BGB mit dem Tod des Berechtigten und ist deswegen unvererblich. Die Eigentümer des vormals dienenden Grundstücks werden aber unabhängig von ihrer Erbenstellung Rechtsnachfolger des verstorbenen Nießbrauchsberechtigten kraft Heimfalls. Der Heimfall des Nießbrauchs berechtigt die Eigentümer insbesondere dazu, einen Vollstreckungstitel, der Ansprüche des verstorbenen Nießbrauchsberechtigten aus §§ 985, 1004 BGB feststellt, auf sich als Rechtsnachfolger umschreiben zu lassen (§ 727 Abs. 1 ZPO).
2. Tritt an die Stelle des verstorbenen Nießbrauchers ein anderer Nießbrauchsberechtigter (hier: die überlebende Ehefrau), weil ihm schon zu Lebzeiten von den Grundstückseigentümern ein eigenes, auf den Tod des vormaligen Nießbrauchers aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht eingeräumt worden war, folgt der neue Nießbrauchsberechtigte dem Verstorbenen nicht in die aus dessen Nießbrauch hergeleiteten Rechtspositionen nach. Wegen des Erlöschens des ersten Nießbrauchs mit dem Tod des Berechtigten (§ 1061 S. 1 BGB) kommt die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel für ihn - anders als bei den Eigentümern - nicht in Betracht.
Normenkette
BGB §§ 889, 1061 S. 1, § 1063 Abs. 1, § 1072; ZPO § 727 Abs. 1, §§ 767-768
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 21.03.2014; Aktenzeichen 8 O 1795/13) |
Tenor
Die Berufung der Kläger sowie die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des LG Bremen - 8. Zivilkammer - vom 21.3.2014 (Az. 8 O 1795/13) werden zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger 2/3 und die Beklagte zu 1) 1/3. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3). Die Beklagte zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt die Beklagte zu 1) 1/3. Im Übrigen tragen die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 24.200 EUR sowie i.H.v. 110 % des wegen der Kosten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 2) und 3) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2) und 3) vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die einstweilige Anordnung des LG Bremen vom 17.12.2013 wird auch insoweit aufgehoben, als sie in dem Urteil vom 21.3.2014 hinsichtlich der Beklagten zu 1) aufrechterhalten worden ist.
Die Revision wird zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 22.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil sowie um die Zulässigkeit der den Beklagten zu 1) bis 3) gem. § 727 Abs. 1 ZPO erteilten Rechtsnachfolgeklauseln zum Zwecke der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil. Gegenstand des Titels ist die Verpflichtung zur Beseitigung eines auf dieser Teilfläche befindlichen, baulich zum klägerischen Gebäude gehörenden Anbaus (LG Bremen Teilurteil vom 17.4.2007 - 8 O 1570/04; BGH, Urt. v. 30.5.2008 - V ZR 184/07). Daneben existiert ein rechtskräftiges Urteil auf Herausgabe der Teilfläche des Beklagtengrundstücks, auf dem der hier zur Rede stehende Überbau errichtet wurde (LG Bremen Urt. v. 18.3.2003 - 8 O 1283/02; BGH, Urt. v. 16.1.2004 - V ZR 243/03). Die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung daraus sowie die Zulässigkeit der den Beklagten zu 1) bis 3) erteilten Rechtsnachfolgeklauseln sind Gegenstand des weiteren Verfahrens (Urteil des Senats ebenfalls vom 19.11.2014 - 1 U 16/14; Vorinstanz: LG Bremen Urt. v. 21.3.2014 - 8 O 1796/13).
1. Die Beklagten zu 1) bis 3) sind die Erben des im Jahr 2012 verstorbenen W. (im Folgenden: der Verstorbene). Der Verstorbene hatte die beiden, die Herausgabepflicht der Grundstücksfläche sowie die Verpflichtung zur Beseitigung des Überbaus zusprechenden Urteile gegen die Kläger erstritten. Die Beklagten zu 2) und 3) sind im Gegensatz zu der Beklagten zu 1) nicht nur Erben des verstorbenen Titelgläubigers, sondern auch Eigentümer des Grundstücks P.-Str. 99. Sie hatten dem Verstorbenen ein "lebenslängliches" Nießbrauchsrecht und der Beklagten zu 1) als dessen Ehefrau ein auf den Tod des Verstorbenen aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht an dem betroffenen Grundstück bewilligt.
Der verstorbene Nießbrauchsberechtigte hatte im Jahr 1973 die Teilfläche des Beklagtengrundstücks P.-Str. 99, die Gegenstand des titulierten Herausgabeanspruchs ist, an den damaligen Eigentümer des Nachbargrundstücks P.-Str. 95-97 v...