Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Remonstrationspflicht des Beamten als drittgerichtete Amtspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beamter verletzt seine Amtspflicht nicht, wenn er auf Grund einer ihn bindenden Weisung einer vorgesetzten Stelle eine objektiv rechtswidrige Maßnahme trifft (Anschluss an BGHZ 205, 63).
2. Die persönliche Verantwortung des Beamten für die Rechtmäßigkeit seines Verwaltungshandelns verpflichtet ihn in diesen Fällen aber zur Remonstration gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1, 2 BeamtStG gegen die Weisung oder Verwaltungsvorschrift, wenn er die Rechtswidrigkeit der Maßnahme kannte oder kennen musste. Diese Remonstrationspflicht besteht auch im Interesse des Betroffenen als drittgerichtete Amtspflicht im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB.
3. Unterlässt der Beamte eine Remonstration, obwohl ihm bekannt war oder sich ihm bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte aufdrängen müssen, dass die Anwendung einer Verwaltungsvorschrift die Rechte des Adressaten verletzt, kann dies Amtshaftungsansprüche des Betroffenen begründen ungeachtet der beamtenrechtlichen Folgepflicht.
Normenkette
BeamtStG § 36 Abs. 2 Sätze 1-2; BGB § 839 Abs. 1; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 1 O 711/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21.03.2018 - Az. 1 O 711/17 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist und künftig entstehen wird, dass er bei Eintritt in den Ruhestand nicht Ruhestandsbezüge als Beamter (berechnet auf Grundlage einer Verbeamtung ab dem 03.06.2009) bezieht.
II. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen der Kläger zu 56% und die Beklagte zu 44%. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen die Zwangsvollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckende zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Gebührenstreitwert wird für die I. Instanz auf 25.920,- EUR und für die Berufung auf 11.520,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte sich durch Ablehnung der Verbeamtung des Klägers schadensersatzpflichtig gemacht habe.
1. Der am [...].1952 geborene Kläger wurde am 01.10.1978 von der Beklagten als Angestellter in der Stellung eines Studienrates eingestellt und nahm seine Tätigkeit im Schuldienst der Beklagten auf. Ab Juni 1980 war er bis August 1990 unter Anerkennung eines dienstlichen Interesses beurlaubt, um einer Lehrtätigkeit [...] als stellvertretender Schulleiter nachzugehen. Danach nahm er seine Tätigkeit als Lehrer bei der Beklagten wieder auf.
Im Juni 1982 beantragte er erstmals die Übernahme in das Beamtenverhältnis. Dieser Antrag wurde auf Grundlage der damaligen Praxis der Beklagten, keine Lehrer mehr im Beamtenverhältnis zu ernennen, abgelehnt. Weitere Anträge aus den Jahren 1985, 1988, 1990, 1991 und 2000 blieben ohne Erfolg. Am 17.05.2001 beantragte der Kläger seine Übernahme in das Beamtenverhältnis, nachdem die Beklagte damit begonnen hatte, im Angestelltenverhältnis beschäftigte Lehrer zu verbeamten. Dieser Antrag wurde unter Hinweis auf die seinerzeit in § 10 Abs. 1 Nr. 2 BremBG (a.F.) normierte Altersgrenze abgelehnt, wonach Beamte auf Lebenszeit grundsätzlich nur werden durfte, wer das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Sein hiergegen gerichteter Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Verlauf des sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 BremBG a.F. aufgehoben. Allerdings hieß es in § 48 LHO in der Fassung vom 25.05.1971:
"Einstellung und Versetzung von Beamten in den Dienst der Freien Hansestadt Bremen bedürfen der Einwilligung des Senators für Finanzen, wenn der Bewerber ein vom Senator für Finanzen allgemein festzusetzendes Lebensalter überschritten hat."
Die zu § 48 LHO ergangene Verwaltungsvorschrift sah als Altersgrenze für eine Lebenszeitverbeamtung das 45. Lebensjahr vor.
Der Senator für Finanzen stimmte in der Folgezeit auf Grundlage einer Schlichtungsempfehlung der Verbeamtung von etwa 400 angestellten Lehrern zu, die am 15.08.2002 das fünfzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Wegen Überschreitens dieser Altersgrenze um knapp 3 Monate versagte der Senator für Finanzen jedoch am zweiten 20.03.2004 seine Einwilligung zur Verbeamtung des Klägers.
Daraufhin wies das Verwaltungsgericht Bremen die Klage ab. Einen Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil lehnte das Oberverwaltungsgericht Bremen ab.
Mit streitgegenständlichem Schreiben vom 08.02.2009 beantragte der Kläger erneut seine Übernahme in das Beamtenverhältnis. Wenige Tage später, mit Urteil vom 19.02.2009 - Az. 2 C 18/07 -, gab das ...