Leitsatz (amtlich)

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes müssen auch bestehende erhebliche Vorschädigungen und die darauf beruhenden Risiken (hier: Herzinfarkt mit anschließenden Angstgefühlen) Berücksichtigung finden; sie mindern das zuzuerkennende Schmerzensgeld.

 

Normenkette

ZPO § 287; BGB § 253

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Beschluss vom 01.11.2010; Aktenzeichen 5 O 323/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist gem. §§ 127 Abs. 2, 567 f. ZPO zulässig (Eingang per Fax beim OLG Celle am 9.12.2010, Bl. 66 d.A.), aber unbegründet.

1. Inwieweit der Antragsteller tatsächlich prozesskostenhilfebedürftig ist, bedarf keiner Entscheidung, obwohl die Darlegungen des Antragstellers in diesem Punkt weitere Aufklärung erforderten. Denn er gibt u.a. unrichtig an,...

2. Ein Verfahren nach § 118 Abs. 2 ZPO ist jedoch entbehrlich, weil die Ausführungen des Antragstellers keinen Anspruch begründen können, mit dem der gesetzlich bestimmte (§§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG) Zuständigkeitsbereich des LG überschritten würde. Da die Antragsgegnerin vorprozessual bereits ein Schmerzensgeld von 1.000 EUR gezahlt hat, würde die Wertgrenze für die Zuständigkeit des LG nur erreicht, wenn dem Antragsteller insgesamt ein Schmerzensgeld von mehr als 6.000 EUR zustünde, so dass von der Antragsgegnerin noch mehr als weitere 5.000 EUR zu zahlen sein müssten. Dies lässt sich indes auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers nicht feststellen. Denn bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 114 Rz. 19 m.w.N.) besteht nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kein ausreichender Anknüpfungspunkt dafür, dass dem Antragsteller ein insgesamt 6.000 EUR übersteigendes Schmerzensgeld zugesprochen wird.

a) Seine bei dem Unfall erlittenen körperlichen Verletzungen (gemäß Diagnose des Hausarztes W. im Attest vom 9.2.2009 - Anlage A 4, Bl. 21 ff. d.A. - eine Brustkorbprellung mit noch drei Wochen später sichtbaren Blutergüssen sowie eine HWS- und BWS-Distorsion) sind ohne bleibende Schäden (so das Attest des Dr. D. vom 3.12.2009, Anlage 5, Bl. 23 d.A.) vollständig ausgeheilt. Der Hausarzt hat insoweit nur noch bis Ende Januar 2009 messbare Beeinträchtigungen attestiert; für die Zeit ab Februar 2009 hat er die unfallbedingte Erwerbsminderung mit unter 10 % angenommen (vgl. Anlage 4, Bl. 22 d.A.).

Ausweislich des hausärztlichen Attestes vom 9.2.2009 hatte der Antragsteller ferner schon vom Unfalltag an "Angstgefühle", die durch unfallbedingte Thoraxschmerzen im Hinblick auf den sechs Jahre zuvor erlittenen Herzinfarkt (mit Bypass-Operation, Kammerflimmern und Reanimation) ausgelöst worden waren. Der Antragsteller macht geltend, diese Angstgefühle hätten auch nach dem Ende der Behandlung beim Hausarzt nicht nachgelassen, sondern ihn weiter verfolgt, weswegen er sich im November 2009 (also nahezu ein Jahr nach dem Unfall) in nervenärztliche Behandlung begeben habe, die bis heute (mit der Diagnose einer gemischten Angst- und depressiven Störung) fortdauere. Letzteres wird durch die Atteste des Psychiaters Dr. D. vom 3.12.2009 und 6.6.2010 (Anlagen A 5 und A 6, Bl. 23 f. d.A.) belegt. Diesen Attesten ist zu entnehmen, dass der Antragsteller schon nach dem Herzinfarkt an ähnlichen, allerdings damals weniger ausgeprägten Angstzuständen gelitten habe, die aber nach den Angaben des Patienten etwa im Jahr 2006 abgeklungen gewesen sein sollen.

Aufgrund der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dem Antragsteller im Rechtsstreit der Beweis gelingen könnte, das Unfallgeschehen habe bei ihm auch eine psychische Erkrankung ausgelöst. Allerdings dürfte das vorherige vollständige Abklingen der Angststörungen nach dem Herzinfarkt ab dem Jahr 2006 vom Antragsteller trotz substantiierten Bestreitens der Antragsgegnerin bisher nicht ausreichend unter Beweis gestellt sein. Nach dem Bericht des Klinikums W. vom 30.3.2005 hatte der Antragsteller auch bei einer dortigen Notfalluntersuchung am 29.3.2005 wegen eines von ihm befürchteten Angina-Pectoris-Anfalls über ein Angstgefühl geklagt. Dass danach ab 2006 keine vergleichbaren Beschwerden mehr aufgetreten sein sollen, beruht bisher allein auf der (von der Antragsgegnerin bestrittenen) Darstellung des Antragsstellers. Auch die Angabe einer "subjektiven" Beschwerdefreiheit durch die Ärztin Dr. B.-M. am 12.12.2008 (Anlage A 3, Bl. 19 f. d.A.) beruht nur auf einer entsprechenden Mitteilung des Antragstellers, die zudem als Antwort auf die Frage nach kardiologischen Herzbeschwerden gegeben worden sein dürfte.

b) Selbst wenn man diesen Punkt aber außer Acht ließe und unterstellte, die Angstgefühle des Antragstellers seien nach vorherigem vollständigen Abklingen erstmals durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall wieder aktiviert worden, rechtfertigte dies kein höheres Schmerzensgeld als insgesamt 6.000 E...

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