Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschränkende Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts. Prüfung der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beiordnung eines nicht ortsansässigen Rechtsanwalts kann nicht unter Hinweis auf § 121 Abs. 3 ZPO abgelehnt werden.
2. Die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts richtet sich nach § 46 RVG.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 3-4; RVG § 46
Verfahrensgang
AG Bückeburg (Beschluss vom 19.04.2006; Aktenzeichen 50 F 39/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Bückeburg vom 19.4.2006 dahin geändert, dass der einschränkende Zusatz "Die Beiordnung erfolgt zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts mit Sitz am Ort des Prozessgerichts" ersatzlos entfällt.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen die Entscheidung des AG Bückeburg, ihm im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das von ihm geführte Scheidungsverfahren zwar seinen in R. niedergelassenen Rechtsanwalt beizuordnen, die Beiordnung jedoch dahingehend zu beschränken, dass sie "zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwaltes mit Sitz am Ort des Prozessgerichts" erfolge.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Wie auch das OLG Oldenburg (OLG Oldenburg v. 6.1.2006 - 3 UF 45/05, MDR 2006, 777 = OLGReport Oldenburg 2006, 189 = FamRZ 2006, 629) vertritt auch der Senat (zuletzt 12 WF 82/06) die Auffassung, dass jedenfalls nach Inkrafttreten des RVG die angefochtene Einschränkung der Beiordnung einer Rechtsgrundlage entbehrt.
Insbesondere kann deren Zulässigkeit entgegen der Auffassung des AG nicht aus § 121 Abs. 3 ZPO hergeleitet werden. Bereits der ausdrückliche und eindeutige Wortlaut beschränkt den Anwendungsbereich der Vorschrift auf solche Rechtsanwälte, die "nicht beim Prozessgericht zugelassen" sind. Unabhängig davon, ob der Begriff der Zulassung i.S.d. §§ 18 ff. BRAO (so OLG Oldenburg v. 6.1.2006 - 3 UF 45/05, MDR 2006, 777 = OLGReport Oldenburg 2006, 189 = FamRZ 2006, 629) oder gem. § 78 ZPO (so offenbar Zöller/Philippi, ZPO, § 121 Rz. 11) zu verstehen ist, kann er jedenfalls nicht mit dem Begriff der Ortsansässigkeit gleich gesetzt werden.
Zwar bestand nach der früheren Rechtslage für den bei dem Prozessgericht zugelassenen, aber nicht an dessen Ort ansässigen Rechtsanwalt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung keine Möglichkeit, die durch diese Konstellation bewirkten Mehrkosten ggü. der gegnerischen Partei (§ 91 Abs. 2 Nr. 2 ZPO a.F.) oder ggü. der Staatskasse (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) abzurechnen. Beide Rechtsgrundlagen sind jedoch mit Inkrafftreten des RVG ersatzlos gestrichen worden.
Überdies ist zu berücksichtigen, dass auch durch die Beiordnung eines am Ort des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwaltes Mehrkosten entstehen können, sofern die Voraussetzungen für die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwaltes nach § 121 Abs. 4 ZPO erfüllt sind. Das ist bei Ehescheidungsverfahren aufgrund ihrer komplexen und weitreichenden Rechtsfolgen für die betroffene Partei, die nicht am Ort des Prozessgerichts wohnt, regelmäßig der Fall, wenn sie einen dort niedergelassenen Rechtsanwalt beauftragt (BGH v. 25.11.2004 - VII ZR 320/03, MDR 2005, 469 = CR 2005, 442 = BGHReport 2005, 458 = NJW 2005, 678). Auch aus diesem - von Amts wegen zu prüfenden (vgl. BGH FamRZ 2004, 1362) - Grund kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beiordnung eines ortsansässigen Rechtsanwalts anstelle eines Rechtsanwaltes mit Kanzleisitz am Wohnort der Partei in jedem Fall Mehrkosten für die Staatskasse i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO erspart, welche eine eingeschränkte Beiordnung von vornherein rechtfertigen könnte.
Nunmehr richtet sich die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwaltes nach § 46 RVG. Die Frage ist jedoch im auch hier gegebenen Regelfall (Ausnahme: § 46 Abs. 2 RVG) nicht im Bewilligungsverfahren zu prüfen. Außerdem werden nach der Vorschrift Auslagen, insb. Reisekosten, nur dann nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung des Auftrages nicht erforderlich waren. Die Wahrnehmung eines anberaumten Gerichtstermins durch den beigeordneten Rechtsanwalt ist aber in diesem Sinne jedenfalls im vorliegenden Scheidungsverfahren erforderlich.
Im Ergebnis war daher die angefochtene Entscheidung auf das Rechtsmittel des Antragstellers hin zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 1619653 |
FamRZ 2006, 1552 |
AGS 2007, 44 |
OLGR-Nord 2006, 904 |