Verfahrensgang
AG Hildesheim (Beschluss vom 05.12.2022; Aktenzeichen 35 F 71/22) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hildesheim vom 5. Dezember 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdewert wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Aus der früheren nichtehelichen Beziehung der Beteiligten zu 1 und zu 2 ist der am 24. März 2019 geborene Sohn L. W. hervorgegangen. Die elterliche Sorge für L. stand bisher der Kindesmutter allein zu. Seit dem 10. August 2022 wird L. fremdbetreut, zunächst in der Kleinkindgruppe der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung S. in H., seit dem 29. Oktober 2022 in einer Bereitschaftspflegefamilie.
Das vorliegende Hauptsacheverfahren wurde aufgrund eines Berichts des Jugendamts des Landkreises H. vom 21. Oktober 2022 durch das Amtsgericht - Familiengericht - Hildesheim von Amts wegen eingeleitet. Mit diesem Bericht hatte das Jugendamt zunächst lediglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Entziehung der Gesundheitssorge der Kindesmutter beantragt, da die Kindesmutter die Krankenkassenkarte, den Impfausweis und das Vorsorgeuntersuchungsheft für L. nicht herausgegeben habe und damit notwendige medizinische Maßnahmen für L. erschwere. Nachdem sich Anfang November 2022 herausstellte, dass die vorgenannten Unterlagen inzwischen übergeben wurden, wurde das Verfahren durch das Amtsgericht als Hauptsacheverfahren zur Klärung des künftigen Lebensmittelpunktes von L. fortgeführt. Dieses bestellte L. einen Verfahrensbeistand und hörte die Beteiligten am 29. November 2022 persönlich an. Zuvor hatte das Jugendamt des Landkreises H. mit einem weiteren Bericht vom 25. November 2022 nunmehr die einstweilige Entziehung der elterlichen Sorge insgesamt und die Bestellung des Jugendamtes zum Vormund beantragt. Mit diesem Bericht wurde beim Amtsgericht das einstweilige Anordnungsverfahren 35 F 79/22 (EASO) eingeleitet, welches durch den wenige Tage später stattgefundenen Anhörungstermin im vorliegenden Hauptsacheverfahren, in dem der vorgenannte Antrag ebenfalls Gegenstand war, seine Erledigung gefunden hat. Bereits in diesem Anhörungstermin erklärte die Kindesmutter, mit einer Fremdunterbringung ihres Kindes auf Dauer nicht einverstanden zu sein; vielmehr solle L. in den Haushalt ihrer Mutter wechseln, der gegebenenfalls Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen werden sollten.
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2022, auf den zur weiteren Darstellung des Sachverhalts einschließlich des Verlaufs der Jugendhilfegewährung durch die Jugendämter des Landkreises H.-P. und H. ergänzend Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht der Kindesmutter sodann die elterliche Sorge für L. in vollem Umfang entzogen und Vormundschaft angeordnet. Zum Vormund hat es das Jugendamt des Landkreises H. bestellt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die angeordnete Sorgerechtsentziehung sei gemäß §§ 1666 Abs. 1, 1666a Abs. 1 BGB erforderlich, da eine Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls von L. gegeben sei, die auf andere Weise als durch die Sorgerechtsentziehung und die Fremdunterbringung nicht abgewendet werden könne. Der gesamte Hilfeverlauf zeige, dass auf Seiten der unter rechtlicher Betreuung stehenden Kindesmutter eine Einschränkung der Erziehungsfähigkeit vorliege, die in der Vergangenheit immer wieder zu Kindeswohlgefährdungen im Zusammenhang mit der Betreuung von L. durch die Kindesmutter geführt habe. Es liege eine Überforderung und ein nicht adäquater Umgang der Kindesmutter mit L. - auch vor dem Hintergrund der bestehenden Auffälligkeiten des Kindes - vor. Der Kindesmutter sei es nicht möglich, Gefahrensituationen für ihr Kind in ausreichendem Maße zu erkennen. Das Jugendamt habe unter anderem von Beißen, Treten, Werfen mit Essen und Kot sowie Schmierereien mit Kot und Urinieren im Zimmer durch L. berichtet. Außerdem seien von dem Helfersystem verstärkte Verhaltensauffälligkeiten des Kindes wahrgenommen worden, wenn es mit der Mutter zusammen gewesen sei. Betreuer der Kleinkindgruppe der Einrichtung S. hätten von extrem übergriffigem und sogar planerischem Verhalten des Kindes insbesondere gegenüber anderen Kindern berichtet. Unter anderem in der Mutter-Kind-Einrichtung in U., in der sich die Kindesmutter mit L. vor der Inobhutnahme befunden habe, seien von den dortigen Betreuern Schreie des Kindes einerseits und klatschende Geräusche andererseits wahrgenommen worden. Auch seien von den Helfern Gefahrensituationen, beispielsweise im Straßenverkehr, beobachtet worden, in denen die Kindesmutter überhaupt nicht oder zu spät eingegriffen habe. L. sei auf die Straße gelaufen und die Kindesmutter habe zu spät reagiert, weshalb eine Mitarbeiterin der Mutter-Kind-Einrichtung in U. habe eingreifen müssen. Mehrfach sei es auch vorkommen, dass die Kindesmutter nach Beginn einer Beschäftigung mit L., zum Beispiel Malen mit Straßenmalkreide oder Spielen im Sandkasten, letztlich zwei Stunden alleine gespielt h...