Entscheidungsstichwort (Thema)
Nebenklage: Rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nach § 397 a Abs. 2 Satz 1 StPO ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der entscheidungsreife Antrag rechtzeitig gestellt, aber nicht rechtzeitig beschieden wurde.
Normenkette
StPO §§ 304, 397a Abs. 1, 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 21.05.2015; Aktenzeichen 29 Ns 29/15) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Nebenklägerin als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin ist Nebenklägerin in einem Verfahren, das gegen ihren getrennt lebenden Ehemann wegen des Verdachts der Bedrohung und der Nötigung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu ihrem Nachteil geführt wurde. Mit Beschluss vom 06.02.2015 ließ das Amtsgerichts Celle die Beschwerdeführerin - vertreten durch Frau Rechtsanwältin B.-S. - gemäß §§ 395 Abs. 1 Nr. 5, 396 StPO als Nebenklägerin zu. Der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwältin B.-S. wurde zurückgewiesen, da weder die Voraussetzungen des § 397a Abs. 1 StPO vorlägen, noch dargetan sei, dass die Nebenklägerin ihre Interessen nicht ausreichend wahrnehme könne oder ihr dies nicht zuzumuten sei. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde hat das Landgericht Lüneburg mit Beschluss vom 24.03.2015 verworfen. Durch Urteil des Amtsgerichts Celle vom 25.02.2015 wurde der Angeklagte freigesprochen. Hiergegen legten sowohl die Staatsanwaltschaft Lüneburg/Zweigstelle Celle als auch die Nebenklägerin rechtzeitig Berufung ein.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.03.2015 beantragte die Nebenklägerin, ihr für die Berufungsinstanz Rechtsanwältin B.-S. als Nebenklägervertreterin beizuordnen bzw. ihr für die Hinzuziehung der Rechtsanwältin Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Vorsitzende der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg wies diesen Antrag mit Beschluss vom 21.05.2015 zurück. Es lägen weder die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO, noch für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO vor. Es sei - unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft und auf den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 24.03.2015 - nicht erkennbar, dass die erwachsene Nebenklägerin ihre Interessen nicht ausreichend selbst wahrnehmen könne oder ihr dies nicht zuzumuten sei. Gegen diese Entscheidung erhebt die Nebenklägerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15.06.2015 Beschwerde, der das Landgericht Lüneburg mit Beschluss vom 22.06.2015 nicht abgeholfen hat. Die Nebenklägerin führt aus, dass sie in den Verhandlungen gegen den Angeklagten immer noch psychisch sehr belastet sei und sie sich aufgrund der Trennungsfolgen und der angezeigten Vorfälle in psychologischer Behandlung befinde. Nur die Anwesenheit ihrer Rechtsanwältin ermögliche ihr ein "gefasstes" Auftreten vor Gericht.
Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 29.06.2015 sind die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin verworfen worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat in ihrer Stellungnahme vom 01.07.2015 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
Eine nachträgliche rückwirkende Beiordnung eines Nebenklägervertreters bzw. eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren ist grundsätzlich nicht zulässig (BGH Beschl. v. 13.10.2010, 5 StR 179/10; KK-Senge, 7. Aufl. 2013, § 397a, Rn. 2 und 11). Durch die Nebenklage wird denjenigen Verletzten, die besonders schutzwürdig erscheinen, die Gelegenheit gegeben, in dem Verfahren ihre persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Verharmlosung ihrer Verletzungen zu wehren (M/G StPO, 58. Aufl. 2015, Vor § 395, Rn. 1 m.w.N.). Die Bestellung eines Beistandes verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dafür zu sorgen, dass ein Geschädigter in den vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Fällen (§ 397a Abs. 1 StPO) oder, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist (§ 397a Abs. 2 StPO), einen rechtskundigen Beistand erhält, der die Interessen des Nebenklägers vertritt und einen auch in dessen Interesse liegenden Verfahrensablauf gewährleistet. Dieser Zweck kann nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr erreicht werden. Denn es gibt in diesem Zeitpunkt keine von dem Opferanwalt zu erbringende Tätigkeit mehr. Die Bestellung eines Beistandes nach § 397a Abs. 1 StPO bzw. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nach § 397a Abs. 2 StPO erfolgt mithin nicht im Kosteninteresse des Nebenklägers. Die rückwirkende Bewilligung v...