Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei Erreichen eines Rechtsmittelerfolgs trotz Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 473 Abs. 3 StPO ist auch dann anzuwenden, wenn eine Beschränkung des Rechtsmittels auf einen bestimmten Beschwerdepunkt vom Berufungsgericht für rechtlich unwirksam erachtet wird, der Rechtsmittelführer aber von vornherein erklärt, dass er nur das beschränkte Ziel verfolgt und dieses im Ergebnis auch erreicht.
2. Gibt der Rechtsmittelführer die Erklärung über das beschränkte Ziel erst nachträglich ab, so hat er diejenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen zu tragen, die bei einer alsbald nach Rechtsmitteleinlegung abgegebenen Erklärung hierüber vermeidbar gewesen wären (Anschluss: OLG Celle, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 3 Ws 4/19 -, juris; entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - III-5 Ws 380 - 381/13 -, juris).
Normenkette
StPO §§ 318, 473 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 14.11.2019; Aktenzeichen 39 Ns 92/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils der 9. kleinen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 14. November 2019 dahin abgeändert, dass die Landeskasse die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, jedoch mit Ausnahme derjenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen, die bei einer innerhalb der Berufungsbegründungsfrist abgegebenen Erklärung des Verurteilten über das beschränkte Berufungsziel vermeidbar gewesen wären; diese trägt der Verurteilte.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Winsen (Luhe) verurteilte den Beschwerdeführer am 26. Juni 2019 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren. Gegen das Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch der Beschwerdeführer fristgerecht und unbeschränkt Berufung ein; die schriftlichen Urteilsgründe wurden dem zuvor als Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers beigeordneten Rechtsanwalt am 05. August 2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt; mit einem am 04. September 2019 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz des Verteidigers beschränkte dieser die Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung, wobei die Berufungskammer die vorgenommene Beschränkung aus im Urteil nicht näher dargelegten Gründen für unwirksam erachtete.
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Berufung in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des Beschwerdeführers zurückgenommen hatte, änderte die 9. kleine Strafkammer auf die Berufung des Angeklagten durch Urteil vom 14. November 2019 unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen den Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurden dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen auferlegt, die Berufungsgebühr allerdings um 1/5 ermäßigt und angeordnet, dass die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Berufungsinstanz in diesem Umfang trage. Zur Begründung der Kostenentscheidung führt das Urteil aus, angesichts der umfassenden Anfechtung des Urteils sei der Berufungserfolg lediglich mit 1/5 zu bemessen.
Gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des im Übrigen rechtskräftigen Urteils wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, dass die Landeskasse die Kosten des Berufungsverfahrens sowie seine notwendigen Auslagen in der Berufungsinstanz zu tragen habe, da die rechtliche Unmöglichkeit der Rechtsmittelbeschränkung allein darauf beruhe, dass das Amtsgericht Winsen (Luhe) keine ausreichenden Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der dauerhaft genutzten Privatwohnung getroffen habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten hat ganz überwiegend Erfolg.
Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens und der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungsrechtszug kommt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht § 473 Abs. 4 StPO zur Anwendung; die Kostenentscheidung ergibt sich vielmehr aus der sinngemäßen Anwendung von § 473 Abs. 1 und Abs. 3 StPO.
1.) Ausgangspunkt für die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und die dort dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen ist vorliegend § 473 Abs. 3 StPO. Danach sind die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn dieser sein Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und das Rechtsmittel Erfolg hat. Dass er in diesem Fall auch nicht die Gerichtskosten zu tragen hat, spricht das Gesetz zwar nicht ausdrü...