Entscheidungsstichwort (Thema)

Durchführung des Beschwerdeverfahrens bei Mängeln im Abhilfeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist - insbesondere im Beschwerdeverfahren wegen Richterablehnung - nicht Verfahrensvoraussetzung für die Beschwerdeentscheidung. Daher stehen auch grobe Verfahrensverstöße oder ein völliges Fehlen des Abhilfeverfahrens der Durchführung des Beschwerdeverfahrens und einer Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht stets entgegen (Anschluss BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 462/16 -, juris Rn. 12 f.).

2. Ein gerichtlicher Hinweis auf möglicherweise lückenhaften Vortrag des Klägers zu seiner Aktivlegitimation und/oder Prozessführungsbefugnis ist grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit auf Seiten des Klägers zu begründen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren im Falle der Richterablehnung entspricht grundsätzlich dem Wert der Hauptsache.

 

Normenkette

ZPO § 3 ZPO, §§ 42, 46, 139, 567, 572

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 14.04.2021; Aktenzeichen 19 O 272/20)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 20. April 2021 gegen den sein Ablehnungsgesuch vom 23. März 2021 zurückweisenden Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 14. April 2021 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Gegenstandswert für die Beschwerde: Wertstufe bis EUR 13.000,-.

 

Gründe

I. Der Kläger verfolgt in der Hauptsache vermeintliche Ansprüche aus einem Versicherungsverhältnis mit der Beklagten. Dem liegt die vom Kläger behauptete Entwendung eines Kraftfahrzeugs zu Grunde, die die Beklagte bestreitet.

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. März 2021 (dort S. 2 = Bl. 43R d.A.) unter Verweis auf die als Anlage B 7 (im "Anlagenband Beklagter") vorgelegte Schadenanzeige des Klägers selbst vorgetragen hatte, der Kläger habe ihr gegenüber angegeben, dass betroffene Fahrzeug lediglich geleast zu haben, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17. März 2021 (Bl. 47 f. d.A.) behauptet, das Fahrzeug sei über die ...Bank AG finanziert worden, und "höchst vorsorglich" eine Bestätigung der ... Inkasso-Dienst GmbH vom 18. Februar 2021 (Anlagenband "Kläger") vorgelegt, aus der sich nach seiner - des Klägers - Auffassung die Voraussetzungen einer Prozessstandschaft ergeben sollen.

Die zuständige Einzelrichterin hat daraufhin mit Beschluss vom 22. März 2021 (Bl. 49 f. d.A.), auf den Bezug genommen wird, dem Kläger aufgegeben, unter Vorlage entsprechender Unterlagen "substantiiert darzulegen, dass die ... Inkasso-Dienst GmbH berechtigt ist, den Kläger im Wege der Prozessstandschaft zu ermächtigen, die Forderung gegen die Beklagte geltend zu machen."

Dies hat der Kläger zum Anlass genommen, die zuständige Einzelrichterin mit Schriftsatz vom 23. März 2021 (Bl. 54 f. d.A.) wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Abgelehnte verkenne das "Prinzip der Parteiherrschaft". Die Beklagte habe "die Abtretungskette" nicht bestritten. Eine Obliegenheit des Klägers zur Vorlage entsprechender Nachweise bestehe daher nicht. Die mithin prozesswidrige Auflage vom 22. März 2021 löse daher "unter parteiobjektiven Maßstäben die Besorgnis der Befangenheit" aus.

Gegen den sein Ablehnungsgesuch zurückweisenden, ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin gefassten Beschluss der Kammer vom 14. April 2021 (Bl. 68 f. d.A.), auf den verwiesen wird, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. April 2021 (Bl. 79 f. d.A.) sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit lediglich durch eine Einzelrichterin gefasstem Beschluss vom 23. April 2021 (Bl. 81 f. d.A.) nicht abgeholfen hat.

II. Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1.) Der Senat kann, obwohl das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, unmittelbar selbst entscheiden.

a) Gemäß § 572 Abs. 1 ZPO hat das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde, wenn es sie für begründet erachtet, abzuhelfen bzw. sie anderenfalls dem Beschwerdegericht vorzulegen. Unter "Gericht" in diesem Sinne ist der Spruchkörper zu verstehen, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat (vgl. nur Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 572 Rn. 9a m.w.N.; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 572 Rn. 3). Die Kammer hätte daher in voller (Vertreter-) Besetzung und nicht, wie geschehen, durch eine Einzelrichterin über die (Nicht-) Abhilfe entscheiden müssen.

b) Dennoch macht der Senat von der Möglichkeit, das Verfahren zur Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Abhilfeentscheidung an das Landgericht zurückzugeben, keinen Gebrauch. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nämlich nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren, sondern soll im Wesentlichen der Entlastung des Beschwerdegerichts dienen (vgl. Zöller/Heßle...

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