Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergabenachprüfungsverfahren: Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Gewährung von Akteneinsicht durch die Vergabekammer

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen die Gewährung von Akteneinsicht durch die Vergabekammer ist die selbstständige sofortige Beschwerde des Auftraggebers statthaft, wenn er geltend macht, dass die Einsicht seine eigenen Geheimschutzbereiche berührt.

 

Normenkette

GWB § 165 Abs. 1-2, § 171 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VK Niedersachsen (Aktenzeichen VgK-34/2020)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 23. September 2020 gegen den Akteneinsichtsbeschluss der Vergabekammer N. beim N. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung in L. vom 11. September 2020 (VgK-34/2020) wird auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb mit EU-weiter Auftragsbekanntmachung Leistungen der Straßenreinigung im Gebiet der Stadt L. aus. Diese Leistungen sollen ab dem 1. Januar 2021 für drei Jahre erbracht werden. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Insgesamt gaben drei Unternehmen fristgerecht ein Angebot ab, darunter die Antragstellerin. Am 26. August 2020 informierte die Antragsgegnerin auf elektronischem Wege die Antragstellerin, dass sie beabsichtige, den Zuschlag einem der anderen Unternehmen zu erteilen. Unter dem 31. August 2020 erhob die Antragstellerin eine Rüge und machte geltend, dass diesem Unternehmen kein Zuschlag erteilt werden könne, weil es mehrere Kriterien aus der Leistungsbeschreibung nicht erfülle: Nach Informationen der Antragstellerin habe es in seinem Fahrzeug keinen Kehrstaubfilter verbaut; es halte keine Ersatzmaschine(n) vor, die die Euro-6-Norm erfüllten; wahrscheinlich fehle eine GPS-gestützte Positionsaufzeichnung für die Einschaltung des Kehrbesens; es habe nicht angegeben, wie und wo der Kehricht zur Verwertung aufbereitet werden solle. Noch am selben Tage teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, der Rüge nicht abzuhelfen. Daraufhin hat die Antragstellerin am 3. September 2020 den Nachprüfungsantrag gestellt und Einsicht in die Vergabeakten der Antragsgegnerin beantragt. Die Antragsgegnerin ist mit Schriftsatz vom 9. September 2020 dem Nachprüfungsantrag und dem Akteneinsichtsgesuch entgegengetreten: Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil sowohl die Rüge als auch der Nachprüfungsantrag auf Behauptungen ins Blaue hinein gestützt seien. Daraus wiederum folge, dass der Antragstellerin auch kein Recht auf Akteneinsicht zustehe.

Mit dem angefochtenen Beschluss will die Vergabekammer erstens der Antragstellerin Einsicht in zwei - dann ungeschwärzte - Dateien ("Gesamtvermerk geschwärzt", "Vermerk Fachamt geschwärzt") gewähren, zweitens sich vorbehalten, weitere Dateien je nach Ablauf des Nachprüfungsverfahrens offenzulegen, diese jedoch vorher auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu prüfen und bei Bedarf im erforderlichen Umfang zu schwärzen, und drittens den Verfahrensbeteiligten bei Bedarf Auszüge aus den Vergabeunterlagen (Matrix und Vergabedokumentation), in denen jeder Verfahrensbeteiligte nur die Wertung des eigenen Angebots vollständig erkennen kann und fremde Wertungen vollständig geschwärzt werden, zu übersenden. Der Nachprüfungsantrag sei nicht unzulässig, weil die Behauptungen der Antragstellerin nicht fernlägen. Zudem könne sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass die Akteneinsicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Beizuladenden verletze.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 23. September 2020, die daran festhält, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei und der Antragstellerin daher kein Recht auf Akteneinsicht zustehen, und ihr Vorbringen vertieft.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. den Akteneinsichtsbeschluss der Vergabekammer N. vom 11. September 2020 (Az. VgK-34/2020) aufzuheben,

2. der Antragstellerin die Akteneinsicht in die Vergabeakte zu versagen,

3. den Suspensiveffekt der sofortigen Beschwerde gegen den Akteneinsichtsbeschluss bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die sofortige Beschwerde zu verwerfen,

2. hilfsweise: die sofortige Beschwerde zurückzuweisen,

3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Sie verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und verweist darauf, dass die Antragsgegnerin bereits nicht geltend mache, dass durch die gewährte Einsicht ihre eigenen Geheimschutzbereiche berührt seien, und dass die Vergabekammer zum Schutz etwaiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Bieter ohnehin nur eingeschränkt Akteneinsicht gewähre.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist bereits nicht...

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