Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Treuwidrigkeit der Berufung auf die fehlende Schriftform des langfristigen Mietvertrages bei einseitiger Information des Erwerbers durch den Mieter
Leitsatz (amtlich)
Die Berufung des Erwerbers eines Mietgrundstücks auf die Nichtbeachtung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB ist nicht schon deshalb treuwidrig, wenn allein der Mieter den Erwerber vor dem Kauf des Mietgrundstücks darauf hingewiesen hatte, dass die ursprünglichen Mietvertragsparteien bei Vertragsschluss vereinbart hätten, dass die im schriftlichen Vertrag angegebene Miete nach einem Jahr Laufzeit um 1.000 EUR monatlich reduziert werden sollte.
Normenkette
BGB §§ 126, 242, 550 S. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Aktenzeichen 2 O 282/15) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, der Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger hat Gelegenheit, hierzu bis zum 27.1.2017 Stellung zu nehmen.
2. Nach Bewilligung der Wiedereinsetzung beabsichtigt der Senat, die Berufung der Beklagten gegen das am 27.10.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Lüneburg zurückzuweisen.
Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, bis zum 27.1.2017 Stellung zu nehmen und gegebenenfalls ihre Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO, unter denen der Senat die Berufung der Beklagten nach pflichtgemäßem Ermessen im schriftlichen Verfahren durch Beschluss zurückzuweisen hat, dürften vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung ist auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich, und eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten. Gegenteiliges zeigt die Berufung der Beklagten auch nicht auf.
Die Berufung der Beklagten bietet auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das LG dürfte in der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu Recht zur Räumung der Mietsache verurteilt haben. Die Beklagte dürfte zur Räumung der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet sein, weil das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch ordentliche Kündigung des Klägers vom 4.9.2015 zum 31.3.2016 beendet worden ist.
Der Kläger dürfte zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen sein. Bei dem zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis dürfte es sich um einen unbefristet geschlossenen Mietvertrag gemäß §§ 550, 578 Abs. 1 BGB handeln, der nach § 580a Abs. 2 BGB durch Kündigung spätestens am 3. Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres ordentlich kündbar ist. Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass gemäß § 4 des Mietvertrages eine Vertragslaufzeit bis zum 30.4.2021 vorsah. Denn die Parteien haben bei Abschluss des Mietvertrages die Schriftform des § 550 BGB nicht eingehalten, so dass der Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt und nach Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Mietsache innerhalb der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann. Die Vertragsparteien haben nämlich mündlich anlässlich des Vertragsabschlusses die Abrede getroffen, dass die Kaltmiete nach Ablauf eines Jahres nicht mehr - wie ausweislich des schriftlichen Mietvertrages vereinbart - 2.900,00 EUR, sondern 1.900,00 EUR betragen sollte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform nur gewahrt, wenn sich die Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (vgl. BGH NJW 2014, 1087, 1089; BGH NJW 2010, 1518). Die Vereinbarung der Miethöhe unterliegt stets - soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann - dem Formzwang des § 550 Satz 1 BGB (vgl. BGH NJW 2016, 311, 313). Dies stellt auch die Berufungsbegründung nicht in Frage.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die mündliche Vereinbarung der Miethöhe nicht gemäß § 125 BGB wegen Verstoßes gegen die qualifizierte Schriftformklausel des § 18 Abs. 2 des Formularmietvertrages unwirksam. § 18 Abs. 2 des Formularmietvertrages schreibt nicht nur für Vertragsänderungen oder -ergänzungen, sondern auch für die Aufhebung der Schriftformklausel die Schriftform vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch qualifizierte Schriftformklauseln in einem Formularmietvertrag wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB bereits unwirksam sind (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 19.5.2009 - 3 U 16/09 - juris; BAG, Urteil vom 20.5.2008 - 9 AZR 382/07 -, BAGE 126, 364-374), Individualabreden entsprechend § 305b BGB qualifizierten Schriftformklauseln vorgehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.6.2006 - 10 U 1/06 -, juris), oder ob bei mündlichen Vertragsänderungen diese in diesem ...