Entscheidungsstichwort (Thema)
Bulgarische Staatsanwaltschaften sind "Justizbehörden" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584
Leitsatz (amtlich)
Der rechtliche Status der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Bulgarien sowie der nachgeordneten Staatsanwaltschaften bietet keinen Anlass, bei einem von einer bulgarischen Staatsanwaltschaft ausgestellten Europäischen Haftbefehl an der Unabhängigkeit der ausstellenden Justizbehörde zu zweifeln.
Normenkette
IRG § 83a Abs. 1 Nr. 2; EURaBes 584/2002 Art. 6 Abs. 1
Tenor
Gegen den Verfolgten wird zum Zwecke seiner Auslieferung an die bulgarischen Justizbehörden zur Strafverfolgung der in dem Europäischen Haftbefehl des Specialized Public Prosecutor's Office in Sofia vom 03.08.2018 (Az.: Pr pr. 56/2018) bezeichneten Straftaten die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.
Gründe
I.
Die bulgarischen Justizbehörden betreiben auf der Grundlage einer Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung. Dem Ersuchen liegt ein Europäischer Haftbefehl des Specialized Public Prosecutor's Office in Sofia vom 03.08.2018 (Az.: Pr pr. 56/2018) zu Grunde.
Das dem Verfolgten vorgeworfene Tatgeschehen wird in dem Europäischen Haftbefehl vom 03.08.2018 im Wesentlichen wie folgt beschrieben:
Von Oktober 2017 bis zum 16.06.2018 war der Genannte in .../Bulgarien und auf bulgarischem Staatsgebiet der Anführer einer organisierten kriminellen Gruppierung / strukturierten ständigen Vereinigung von drei oder mehr Personen mit dem Ziel, in Bulgarien oder im Ausland Straftaten zu begehen. Mit M.R.H., D.I.I., Dz. Dz. M. wurde diese Gruppierung gebildet mit dem Ziel der Erlangung von Gewinnen und Begehung von Straftaten gemäß § 354a (1) und (2) des Bulgarischen Strafgesetzbuchs (Herstellung, Verarbeitung, Erwerb oder Verwahrung von Betäubungsmitteln oder ähnlichen Substanzen zum Zweck der Weitergabe ohne die erforderliche Erlaubnis oder Weitergabe von Betäubungsmitteln oder ähnlichen Substanzen ohne die erforderliche Erlaubnis; (2) sofern es sich um große Mengen von Betäubungsmitteln oder ähnlichen Substanzen handelt).
Der Verfolgte wurde am 31.05.2019 in der Bundesrepublik Deutschland vorläufig festgenommen. Das Amtsgericht Hildesheim hat am 01.06.2019 gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG angeordnet, dass der Verfolgte bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts festzuhalten ist.
Der Verfolgte hat sich mit einer vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt (§ 41 Abs. 1 IRG).
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, gegen den Verfolgten die förmliche Auslieferungshaft anzuordnen.
II.
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist nach §§ 15, 17 IRG zu entsprechen.
1. Die Auslieferung erscheint nicht von vornherein unzulässig (§ 15 Abs. 2 IRG).
Die bulgarischen Behörden haben die Ausschreibung des Verfolgten zur Festnahme mit dem Ziel von dessen Auslieferung nach dem Beschluss 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) im Schengener Informationssystem veranlasst. Die Ausschreibung enthält die nach § 83a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 IRG erforderlichen Angaben.
Danach besteht ein Europäischer Haftbefehl des Specialized Public Prosecutor's Office in Sofia vom 03.08.2018 (Az.: Pr pr. 56/2018). Die Ausschreibung enthält Angaben zur Identität und Staatsangehörigkeit des Verfolgten sowie die Bezeichnung und die Anschrift der ausstellenden Justizbehörde. Zugleich wird mitgeteilt, dass ein nationaler bulgarischer Haftbefehl mit gleicher Rechtswirkung vorliegt, sowie Angaben zu Art und rechtlicher Würdigung der Straftat einschließlich der gesetzlichen Bestimmungen, die Beschreibung der Umstände unter denen die Straftat begangen wurde, einschließlich der Tatzeit, des Tatortes und der Tatbeteiligung der gesuchten Person. Damit gilt die Ausschreibung gemäß § 83a Abs. 2 IRG selbst als Europäischer Haftbefehl.
Die Auslieferungsfähigkeit der Straftat ist gegeben.
Bei dem Tatgeschehen, das dem Haftbefehl zu Grunde liegt, handelt es sich um eine Katalogtat gemäß Art. 2 Abs. 2 des EU-Rahmenbeschlusses vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl (RB-EUHb), (hier: Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung / Handeltreiben mit Betäubungsmitteln), welche nach bulgarischen Recht mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mehr drei Jahren, nämlich von bis zu 15 Jahren, bedroht ist. Das Erfordernis einer beiderseitigen Strafbarkeit entfällt damit (§ 81 Nr. 4 IRG).
Die dem Verfolgten vorgeworfene Tat ist nach bulgarischem Recht mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht (§ 81 Nr. 1 IRG). Anhaltspunkte dafür, dass Verfolgungsverjährung eingetreten sein könnte, sind nicht ersichtlich.
Die Grundsätze der Gegenseitigkeit und der Spezialität werden durch die von EU-Staaten zu vollziehende innerstaatliche Transformation des insoweit bindenden RB-EuHB (vgl. Art. 27 RB-EuHB) gewährleistet. Einer besonderen Zusicherung des ersuchende...