Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafprozess. Streit über Berufungsbeschränkung im Kostenansatzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Feststellung der Unbeschränktheit der Berufung im Urteil des Berufungsgerichts ist für das Beschwerdegericht im Verfahren über die Kostenbeschwerde gemäß § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO bindend.

2. Ist das Revisionsgericht zugleich mit einer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung befasst, so gilt die ausschließliche Beweiskraft des Protokolls nach § 274 Satz 1 StPO auch für das Beschwerdeverfahren.

3. Die Feststellung der Unbeschränktheit der Berufung in der Kostengrundentscheidung ist für das Kostenansatzverfahren bindend.

 

Normenkette

GKG §§ 3, 19, 66; StPO § 274 S. 1, §§ 318, 464 Abs. 3 S. 2, § 464a

 

Tenor

1. Das Verfahren wird dem Senat übertragen.

2. Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Verwerfung seiner Erinnerung gegen den Kostenansatz der Staatsanwaltschaft.

1. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim mit Urteil vom 9. März 2010 die Berufungen des Angeklagten und des Nebenklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Springe vom 6. Dezember 2001 als unbegründet verworfen und auf die im Übrigen erfolglose Berufung der Staatsanwaltschaft die Tagessatzhöhe von 5.000,- DM auf 5.000,-Euro angehoben.

Das Amtsgericht Springe hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und wegen Beleidigung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Für die nach der Wiederaufnahme allein noch verfahrensgegenständliche vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers hatte es eine Einzelstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5.000,- DM verhängt. Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers hatte das Landgericht Hannover - nach Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der übrigen Taten - mit Urteil vom 25. November 2004 wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers auf gefährliche Körperverletzung erkannt und eine Geldstrafe von 178 Tagessätzen zu je 2.500,- Euro verhängt; die als Berufung durchgeführte Revision des Angeklagten hatte das Landgericht Hannover verworfen. Seine Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hannover hatte der Angeklagte am 23. Juni 2005 zurückgenommen.

Auf Antrag des Verurteilten vom 16. Januar 2006 hat das Landgericht Hildesheim durch Beschluss vom 24. November 2008 die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet. Infolge der erneuten Hauptverhandlung in der Berufungsinstanz ist der Angeklagte durch Urteil vom 9. März 2010 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 28. April 2011 - 31 Ss 7/11 - gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Ebenfalls mit Beschluss vom 28. April 2011 - 1 Ws 105/11 und 1 Ws 149/11 - hat der Senat die Kostenentscheidung aus dem Urteil vom 9. März 2010 auf die sofortigen Beschwerden des Nebenklägers und der Staatsanwaltschaft u.a. dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte die Kosten seiner vor dem Landgericht Hannover und nach Wiederaufnahme vor dem Landgericht Hildesheim durchgeführten Berufung einschließlich der dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

2. Mit Kostenansatz vom 24. Januar 2012 hat die Staatsanwaltschaft Hildesheim dem Verurteilten einen - nach Anrechnung bereits gezahlter 210.554,32 Euro - noch zu zahlenden Betrag in Höhe von 66.216,37 Euro in Rechnung gestellt. Darin waren u.a. folgende Positionen enthalten:

- Auslagen für Zeugenentschädigung

52.028,00 Euro

- Auslagen für Dolmetscherentschädigung

15.385,99 Euro

- Auslagen für Sachverständigenentschädigung

8.605,29 Euro.

3. Gegen diesen Kostenansatz hat der Verurteilte am 14. Februar 2012 Erinnerung eingelegt mit der Begründung, dass er die Auslagen für Zeugen-, Dolmetscher- und Sachverständigenentschädigung nicht zu tragen habe, weil diese ausschließlich durch die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers verursacht worden seien, während er seine Berufung auf den Strafausspruch beschränkt habe.

4. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2012 hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim die Erinnerung als unbegründet verworfen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Berufung nicht beschränkt worden sei. Der Verteidiger Rechtsanwalt E. habe zwar in der Hauptverhandlung am ersten Sitzungstag auf die Frage des Vorsitzenden nach dem Ziel der Berufung geantwortet: "Die Herabsetzung der Strafe". Die vom Vorsitzenden angeregte Erklärung einer Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch sei jedoch ausdrücklich abgelehnt worden, weil der Angeklagte eine umfassende Sachaufklärung gewünscht habe. Deshalb sei die Vernehmung sämtlicher Zeugen und des gerichtsmedizinischen Sachverständigen berei...

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