Leitsatz (amtlich)

1. Ist die angerufene Strafvollstreckungskammer örtlich unzuständig, weil nach § 111 Abs. 1 Nr. 2 von Anfang eine andere Vollzugsbehörde als die im Antrag bezeichnete am Verfahren beteiligt ist oder weil im Verlaufe des Verfahrens ein Parteiwechsel stattfindet, so ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 83 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 GVG nach Anhörung der Beteiligten - auch ohne entsprechenden Antrag - von Amts wegen an das zuständige Gericht zu verweisen.

2. In der Zurückweisung eines Feststellungsantrages nach § 115 Abs. 3 StVollzG als unzulässig mangels Feststellungsinteresses liegt die konkludente Bejahung der eigenen Zuständigkeit. hieran ist die Strafvollstreckungskammer - auch im Falle ihrer eigentlichen Unzuständigkeit - gebunden und kann sich nach Aufhebung und Zurückverweisung nicht mehr für unzuständig erklären.

 

Normenkette

VwGO § 83; GVG § 17a; StVollzG § 115 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Entscheidung vom 22.02.2011; Aktenzeichen 23 StVK 72/08)

 

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Streitwertes aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Unterbringung des Antragstellers in einem mit gewaltverherrlichenden rassistischen Schmierereien versehenen Haftraum des Transporthauses der Justizvollzugsanstalt H. in der Zeit vom 9. Januar 2008 bis zum 11. Januar 2008 rechtswidrig war.

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I. 1. Der Beschwerdeführer verbüßte im Jahr 2008 eine Freiheitsstrafe und war im Zuge seiner Verlegung von der Justizvollzugsanstalt S. in die Justizvollzugsanstalt R. für drei Tage, nämlich in der Zeit vom 9. Januar 2008 bis zum 11. Januar 2008, im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. untergebracht. Mit Schreiben vom 30. Januar 2008, welches am 5. Februar 2008 beim Landgericht Hildesheim einging, beantragte er,

"1. festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin veranlasste Verlegung des Antragstellers in die JVA R., die mit einer Unterbringung des Antragstellers im Transporthaus IV der JVA H., verbunden war, gegen Artikel 1 GG verstoßen hat.

2. die Antragsgegnerin für Fälle der Besuchsverlegung bzw. des Aufenthaltes des Antragstellers aus anderen Gründen in der Anstalt der Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zukünftig nur dann über ein Transporthaus einer anderen Anstalt zu transportieren, wenn die Antragsgegnerin zuvor sichergestellt hat, dass

a) sich keine Hakenkreuze und/oder antisemitische und/oder andere menschenverachtende Texte an den Wänden der Hafträume befinden.

b) Urin nicht in den Wänden der Hafträume hochzieht.

c) die Wände nicht mit Kot beschmiert sind."

Zur Begründung trug er vor, im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. hätten sich an den Wänden der Zelle 4205, in der er untergebracht gewesen sei, Hakenkreuze und menschenverachtende Texte befunden. Nur beispielhaft gebe er Nachstehendes wieder:

"Dreckiges Ausländerschwein. Deutsche Stiefel werden Dich töten. Die animalische Grotte Deiner Mutter muss mit einem Lötkolben Bekanntschaft machen. Du abartiges Stück Dreck. Man muss Euch auf bestialische Art und Weise zeigen, dass man Euch in Deutschland nicht will. Raus mit Euch und Eurer Sippenhaft. Sonst werden einige von Euch die Nachricht als lebende Fackel zu verkünden haben. Gleiches gilt für Sinti und Romaabfall. Ihr dreckiges Volk von Bettlern und Hausierern. Eure dreckige Brut muss ausgerottet werden. Ihr habt kein Land. Ihr gehört nicht auf diese Welt. Ihr Tiere. Tod den Sintis."

Darüber hinaus habe sich Kot an den Wänden befunden.

Die Justizvollzugsanstalt S. habe seit langem Kenntnis von den menschenwürdewidrigen Zuständen im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. Trotzdem ordne sie weitere derartige Unterbringungen an. Nach § 12 der Dienst und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) seien die Vollzugsbediensteten verpflichtet, für Ordnung und Sauberkeit in allen Räumen zu sorgen. Der rechtswidrige Sachverhalt sei nicht beendet, da neue Verlegungen möglich seien.

2. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hildesheim wies mit Beschluss vom 20. Februar 2008 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurück. Die in der vorübergehenden Unterbringung im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. liegende Beschwer sei durch Verlegung in die Justizvollzugsanstalt R. weggefallen. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG setze ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit voraus, das zu bejahen sei, wenn sich die angefochtene Maßnahme bei späteren Entscheidungen für den Antragsteller nachteilig auswirken könne oder eine Wiederholungsgefahr nicht auszuschließen sei. Eine solche Gefahr müsse sich konkret abzeichnen. Daran fehle es hier. Für eine Rückverlegung des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit fehlten konkrete Anhaltspunkte. Der gestellte Verpflichtungsantrag sei aus demselben Grund unzulässig.

3. Die gegen den Beschluss gericht...

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