Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 23 StVK 196/06) |
Gründe
I. Der mit seiner Familie zuletzt in B. wohnende Antragsteller verbüßt nach mehrjähriger Untersuchungshaft eine dreizehnjährige Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts - Schwurgerichts - Bremen vom 20. Februar 2002 wegen Totschlags und anderer Delikte. Das Strafende ist auf den 25. August 2012 notiert. Gemäß einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Freien und Hansestadt Bremen und dem Land Niedersachsen ist das vorgenannte Urteil in Niedersachsen in der Justizvollzugsanstalt C. zu vollstrecken. Wegen der angespannten Belegungssituation in der Justizvollzugsanstalt C. befindet sich der Antragsteller seit dem 16. März 2005 in der zum 1. Dezember 2004 eröffneten Justizvollzugsanstalt S..
Der Antragsteller hat am 2. März 2006 bei der Antragsgegnerin beantragt, ihn in die Justizvollzugsanstalt O. zu verlegen. Dies hat die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 2. März 2006 mit der Begründung abgelehnt, dass die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe - sozialer Kontakt zu seiner Familie, die über keinen Führerschein verfüge - zwar verständlich seien, aber dennoch eine Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan nicht rechtfertigen könnten.
Mit Schreiben vom 13. März 2006 hat der Antragsteller bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hildesheim beantragt, die Entscheidung der Vollzugsanstalt aufzuheben und diese anzuweisen, ihn in die Justizanstalt O. zu verlegen, weil seine Familie in B. lebe und die Unterbringung in S. daher eine besondere Härte sei. Alternativ beantragte er seine Verlegung in die Justizvollzugsanstalt D., Abteilung offener Vollzug. Auch eine Verlegung in die Justizvollzugsanstalt B. oder A. sei sachgerecht.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen, weil keine besonderen Umstände vorlägen, um eine Verlegung zu begründen. Für den Behandlungsprozess sinnvolle Maßnahmen, die in der Justizvollzugsanstalt S. nicht angeboten würden, strebe der Antragsteller nicht an.
Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag, soweit der Antragsteller seine Verlegung in den offenen Vollzug erstrebe, mangels vorangehender Entscheidung der Vollzugsanstalt als unzulässig und, soweit er die Verlegung nach O. beantrage, als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat die Kammer unter Heranziehung früherer Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamm ZfStrVo 1988, 310; OLG Rostock NStZ 1997, 381) darauf abgestellt, dass eine Verlegung in eine familiennähere Anstalt nur dann geboten sei, wenn dies als Behandlungsmaßnahme und zur Resozialisierung aufgrund besonderer Umstände "unerlässlich" erscheine. Solche Umstände könne die Kammer nicht erkennen; der Antragsteller habe diesbezüglich auch nichts vorgetragen. Die förderungswürdigen Kontakte seien grundsätzlich möglich. S. sei von B. auch gerichtsbekannt mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos erreichbar. Weitergehende Erforderlichkeiten ergäben sich auch nicht aus dem pauschalen Vorbringen im gerichtlichen Verfahren, dass die Erkrankung des Antragstellers (diabetes mellitus) woanders besser als in der Justizvollzugsanstalt S. behandelt werden könne.
Gegen diesen ihm am 15. Mai 2006 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 17. Mai 2006 eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der er auf die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Strafvollzugssachen (Beschluss vom 19. April 2006 - 2 BvR 818/05) verweist.
II. Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht erhoben worden. Die Zulassung ist auch zur Sicherung einheitlicher Rechtsprechung geboten, weil die Entscheidung von der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 19. April 2006 - 2 BvR 818/05) abweicht und nicht auszuschließen ist, dass sich dieser Fehler wiederholt.
Die Entscheidung der Kammer und der zugrundeliegende Bescheid der Justizvollzugsanstalt werden den sich aus Art. 6 GG und dem verfassungsrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse des Gefangenen ergebenden grundrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.
Die Kammer stellt zunächst richtig darauf ab, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf Verlegung, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zusteht (Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 3 m.w.N). Dabei sind allerdings - so die genannte neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung - die grundrechtlichen Belange des Betroffenen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen zu würdigen.
Die Annahme der Kammer, ein Anstaltswechsel zur Aufrechterhaltung der familiärer Beziehungen komme nur dann in Betracht, wenn dies als Behandlungsmaßnahme oder zur Resozialisierung aufgrund besonderer Umstände "unerlässlich" erscheine, ist schon mit dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG kaum vereinbar und begegnet im Zusammenhang mit dem Resozialisierungsinteresse des Gefangenen wie auch dem Schutz von Ehe und Familie verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu BVerfG ebenda). Die weiter vom Gericht ange...