Entscheidungsstichwort (Thema)

Eröffnung des Hauptverfahrens. Ablehnung. Anklage. Umgrenzungsfunktion. hinreichender Tatverdacht. Geldfälschung. Geld. Falschgeld. Sammlermünzen. Umlaufmünzen. Medaillen. Münzstücke. Zahlungsverkehr. Geldverkehr. Verwechselungsgefahr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich scheidet bei fehlender Wahrung der Umgrenzungsfunktion der Anklage die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens aufgrund fehlenden hinreichenden Tatverdachts aus, weil es insoweit an der erforderlichen Prüfungsgrundlage fehlt. Eine Ausnahme liegt jedoch vor, wenn der Tatverdacht von einer Voraussetzung abhängt, deren Nichtvorliegen sich unabhängig von dem Mangel der Anklage beurteilen lässt.

2. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass Sammlermünzen nicht als Tatobjekte der Geldfälschung (§ 146 StGB) in Betracht kommen, weil sie trotz ihrer Anerkennung als gesetzliche Zahlungsmittel zum Umlauf im öffentlichen Zahlungsverkehr weder bestimmt noch geeignet sind und daher die herkömmliche Definition von "Falschgeld" auf sie nicht anwendbar ist.

3. Sieht man Sammlermünzen als taugliche Tatobjekte der Geldfälschung an, so ist als Vergleichsmaßstab nicht der "gewöhnliche Zahlungsverkehr", sondern der "gewöhnliche Markt für Sammlermünzen" heranzuziehen.

4. Bei der Prüfung, ob Medaillen oder Münzstücke eine Verwechselungsgefahr mit echten Sammlermünzen begründen, kommt den Vorschriften der Medaillenverordnung und der Verordnung (EU) Nr. 651/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Ausgabe von Euro-Münzen (Amtsblatt L 201/135 vom 27. Juni 2012) eine indizielle Bedeutung dahin zu, dass bei deren Einhaltung eine Verwechselungsgefahr regelmäßig zu verneinen ist.

 

Normenkette

StGB § 146; StPO §§ 203, 210 Abs. 2, § 311; MünzG § 2 Abs. 1-2, §§ 5, 10; MedaillenV § 2; VO (EU) 651/2012 Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2, 5

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Aktenzeichen 26 KLs 22 Js 43008/19)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Angeschuldigten und der Nebenbeteiligten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I.

Mit Anklage vom 9. Oktober 2022 wirft die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten vor, sich in der Zeit vom 7. November 2018 bis zum 30. September 2020 wegen gemeinschaftlich begangener Geldfälschung (§§ 146 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 25 Abs. 2 StGB) strafbar gemacht zu haben. Konkret wird den Angeschuldigten zur Last gelegt, als Geschäftsführer der B. V. GmbH die Herstellung und den Vertrieb von 750 Exemplaren eines Metallstücks mit der Prägung "250. Geburtstag Alexander von Humboldt" veranlasst zu haben, wobei das Metallstück durch seine optische Gestaltung den Eindruck erweckt habe, dass es sich um von einer staatlichen Prägeanstalt herausgegebenes Münzgeld in Form einer Gedenk- und Sammelmünze handele, die im Zahlungsverkehr auch Zahlungsmittelfunktion erfülle.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2023 hat das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten der Landeskasse auferlegt. Seine Entscheidung hat das Landgericht damit begründet, dass ein hinreichender Verdacht wegen Geldfälschung nicht bestehe, weil das in der Anklage beschriebene Metallstück nicht geeignet sei, mit echtem Geld verwechselt zu werden, und sich zudem das Vorliegen des subjektiven Tatbestands nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lassen werde. Die Frage, ob die Anklageschrift unwirksam sei, weil der in ihr dargestellte Sachverhalt nicht alle gesetzlichen Merkmale des angeklagten Tatbestandes, nämlich keine näheren Angaben zu einem gemeinsamen Tatentschluss bzw. einem arbeitsteiligen Vorgehen der Angeschuldigten, enthalte, hat das Landgericht ausdrücklich dahinstehen lassen.

Gegen die ihr am 10. Mai 2023 zugestellte Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 16. Mai 2023, das per Fax am gleichen Tag beim Landgericht Hildesheim eingegangen ist, sofortige Beschwerde erhoben und diese mit Schreiben vom 17. Mai 2023 begründet. Sie macht insbesondere geltend, dass wegen der zentral auf dem Revers aufgebrachten Zahl "20", die der Höhe des Verkaufspreises entspreche, und der weiteren Symbole und Beschriftungen "Adler, Deutschland, Europa, etc", die in keinem Zusammenhang zu dem Medaillenthema ständen, die Gefahr der Verwechslung mit Sammlermünzen bestehe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe für unbegründet, dass die Anklageschrift allein wegen Nichtwahrung der Umgrenzungsfunktion unwirksam und damit wegen formeller Mängel nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen sei. Aufgrund dieses Mangels sei es dem Landgericht allerdings verwehrt gewesen, eine Entscheidung über den hinreichenden Tatverdacht zu treffen, den die Generalstaatsanwaltschaft als gegeben ansieht.

II.

Die statthafte und zulässig erhobene (§§ 210 Abs. 2, 311 StPO) sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat gem...

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