Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Kostenbeteiligung für die Zurverfügungstellung von Unterhaltungselektronik im Haftraum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Vorschrift des § 52 Abs. 5 NJVollzG, der Ausnahmen von der Heranziehung des Strafgefangenen zu einem Kostenbeitrag vorsieht, handelt es sich unabhängig vom Erlass der Rechtsverordnungen auf Grundlage der Ermächtigungsgrundlage in § 52 Abs. 4 NJVollzG um unmittelbar geltendes Recht; eines Rückgriffs auf das StVollzG bedarf es insoweit nicht.

2. Empfängt ein Strafgefangener Taschengeld nach Maßgabe des § 43 NJVollzG, ist er unverschuldet bedürftig. Die Gewährung des Taschengeldes beseitigt die Bedürftigkeit nicht.

3. Ist ein Strafgefangener gesetzlich von der Pflicht befreit, einen Kostenbeitrag für die Zurverfügungstellung von Unterhaltungselektronik zu entrichten, so kann die Justizvollzugsanstalt mit ihm keine hiervon abweichende vertragliche Vereinbarung treffen.

 

Normenkette

JVollzG ND §§ 43, 52 Abs. 4-5, §§ 69, 201

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Entscheidung vom 21.09.2017; Aktenzeichen 27 StVK 131/17)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden der Beschluss der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hildesheim vom 21. September 2017 und die Verfügung der Antragsgegnerin vom 24. März 2017 aufgehoben.

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über eine Kostenbeteiligung des Antragstellers für die Überlassung eines DVB-T2-Receivers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt die Landeskasse.

4. Der Streitwert wird auf 19,50 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes bei der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist sehbehindert und Taschengeldempfänger nach § 43 Satz 1 NJVollzG.

Am 24. Januar 2017 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Annahme und Aushändigung eines DVB-T2-Receivers und erklärte in seinem Antragsschreiben: "Die Überprüfungskosten betragen für das Gerät insgesamt 19,50 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen durch Überprüfung Gerät 7,50 €, Deaktivierung USB Anschluss 12,00 €."

Die Antragsgegnerin genehmigte dem Antragsteller das von ihm beantragte Gerät.

Ebenfalls am 24. Januar 2017 unterschrieb der Antragsteller ein Formular, in dem es unter anderem wie folgt lautet: "Hiermit beantrage ich durch den von der Anstalt beauftragten Fachhändler auf meine Kosten das Ausgießen der USB-, SD- u./o. MD-Schnittstelle des o.g. Gerätes." Der Gesamtkostenbeitrag ist in dem Formular mit 12 € angegeben.

Zudem unterschrieb der Antragsteller einen Antrag auf Aushändigung eines Fernseh-/Elektrogerätes. In diesem Formular heißt es unter anderem: "Ich bin darüber belehrt worden, dass ich das Gerät durch den Fachhandel auf eigene Kosten überprüfen lassen muss. Die Kosten hierfür belaufen sich auf insgesamt 7,50 € je Gerät. Darin enthalten ist ein Verwaltungskostenaufschlag in Höhe von 2,50 €."

Am 22. März 2017 wurde dem Antragsteller das von ihm beantragte Gerät ausgehändigt. Ferner wurden ihm 19,50 € in Rechnung gestellt, die sich wie folgt zusammensetzen: 12 € für das Ausgießen der USB-Schnittstelle, 7,50 € für die Überprüfung des Gerätes durch den Fachhandel, wobei in diesem Betrag ein Verwaltungskostenaufschlag in Höhe von 2,50 € enthalten ist. Am 24. März 2017 wurde der Betrag von 19,50 € vom Hausgeldkonto des Antragstellers in Abzug gebracht.

Am 27. März 2017 beantragte der Antragsteller gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG und erklärte, er wende sich gegen die Gebühr in Höhe von 12 € für das Ausgießen des USB-Anschlusses, da diese Kosten vermeidbar gewesen wären, da das Ausgießen mit Klebstoff auch durch Bedienstete vorgenommen werden könne und es hierfür keines Fachhändlers bedürfe. Zudem wende er sich gegen die Erhebung der Verwaltungsgebühr in Höhe von 2,50 €, da deren Berechtigung nicht nachvollziehbar sei. Ferner führt der Antragsteller an, er sei unverschuldet bedürftig, weshalb nach § 52 Abs. 5 NJVollzG von einer Kostenbeteiligung abzusehen sei. Er beantragt festzustellen, dass die Erhebung der Verwaltungsgebühr rechtswidrig sei, hilfsweise, die Vollzugsbehörde zu verpflichten, neu über die Erhebung zu entscheiden und den Beitrag zu erstatten.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2017 trug der Antragsteller zusätzlich vor, eine Überprüfung des ihm zur Verfügung gestellten Gerätes habe nicht stattgefunden. Auf Nachfrage der Strafvollstreckungskammer, ob er an diesem Vortrag festhalte, teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 7. August 2017 mit, dass eine Überprüfung des Gerätes aus tatsächlichen Gründen nicht stattgefunden haben könne. Das Gerät sei komplett verpresst und lasse sich allenfalls mit Gewalt öffnen, dann aber nicht mehr verschließen. Es könne somit keine Überprüfung stattgefunden haben.

Mit Beschluss vom 21. September 2017 wies die 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hildesheim den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. D...

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