Leitsatz (amtlich)

Kann ein Zuschlag nicht vergaberechtskonform erteilt werden, weil die in der Ausschreibung enthaltenen Entscheidungskriterien intransparent sind, so ist gem. § 114 Abs. 1 S. 2 GWB von Amts wegen anzuordnen, dass die Ausschreibung aufzuheben ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Intransparenz der Ausschreibung als solche nicht genügt und auch der Nachprüfungsantrag nur darauf gerichtet ist, eine neue Wertung der Angebote zu erreichen.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg (Beschluss vom 03.02.2004; Aktenzeichen 203-VgK 41/2003)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg vom 3.2.2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens ausschließlich der notwendigen Auslagen der Auftraggeberin trägt die Beigeladene nach einem Wert von bis zu 65.000 Euro.

 

Gründe

Die Antragstellerin schrieb im offenen Verfahren Telekommunikationslösungen für die Bereiche Stadt Göttingen, Fachbereich Feuerwehr und Landkreis Göttingen einheitlich Europaweit aus. In der Ausschreibung war folgende Klausel enthalten:

"Besondere Hinweise zur Preisgestaltung - Fachbereich Feuerwehr der Stadt Göttingen

Der Fachbereich der Feuerwehr der Stadt Göttingen kann den Auftrag für seinen Teil (Kapitel 2) frühestens Anfang 2004 erteilen. Die Ausführung dieses Teils soll in den Jahren 2004 und 2005 erfolgen. Für den Fall, dass der Fachbereich Feuerwehr den Auftrag nicht erteilen kann, sind im Angebotsschreiben - EVM(L)Ang die eventuell anfallenden Mehrkosten für Kapitel 1 und 3 anzugeben, die aufgrund eines verringerten Leistungsumfangs entstehen könnten."

Angebote gaben ab u.a. die Antragstellerin, die Beigeladene und die Firma S. Die von letzterer für die Feuerwehr angebotene Lösung erschien der Auftraggeberin für diesen Bereich vorzugswürdig. Weil sie aber das Gesamtangebot der Fa. S. nicht abzuschlagen wollte, entschied sich die Auftraggeberin, den Bereich Feuerwehr herauszunehmen und die Wertung der Angebote nur für den Bereich Stadt und Landkreis Göttingen fortzusetzen. Sie kam dann zu dem Ergebnis, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen sei. Auf die entsprechende Mitteilung leitete die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren ein und rügte nach Einsicht in den Vergabevermerk u.a., dass die Entscheidung, den Bereich Feuerwehr herauszunehmen, nicht hinreichend dokumentiert sei.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer über das Begehren der Antragstellerin hinaus, die lediglich eine Wiederholung der Wertung der vorliegenden Angebote erstrebte, die Auftraggeberin angewiesen, das gesamte Vergabeverfahren aufzuheben und erneut durchzuführen. Denn nur so könne das vergaberechtliche Transparenzgebot erfüllt werden.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde, die zwar hinnimmt, dass die Wertung der Angebote zu wiederholen sei, jedoch die Änderung des Beschlusses insoweit erstrebt, als die Aufhebung des Vergabeverfahrens angeordnet wurde. Dies sei nicht nötig, da allein durch eine sachgerechte Wertung und Dokumentation der Wertung im Vergabevermerk ein vergaberechtskonformes Verfahren möglich sei. Auf die Klausel dürfe nicht abgestellt werden, weil diese Klausel bereits in der Angebotsanforderung enthalten und nicht rechtzeitig gerügt worden sei. Die Präklusionswirkung erfasse auch solche Vergabefehler, die eine Nachprüfungsstelle von Amts wegen erkenne. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB schließe deshalb eine Erstreckung des Vergabenachprüfungsverfahrens auf mögliche Rechtswidrigkeit beim Gebrauch der Vorbehaltsklausel über die Feuerwehr aus, denn Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens könnten nur Verletzungen von Bieterrechten sein, die rechtzeitig gerügt wurden.

Auch wenn die Vergabekammer dieser Klausel für rechtswidrig, weil intransparent halte, rechtfertige das also nicht die Aufhebung der Ausschreibung. Das verstoße gegen § 114 Abs. 1 S. 1 GWB, weil eine solche Entscheidung vom Rechtsschutzziel des Antragstellers nicht umfasst gewesen sei.

Sie sei auch unverhältnismäßig. Gerügt worden seien nur Wertungsfehler, die durch die Nachholung der Wertung und deren Dokumentation vergaberechtskonform zu beseitigen seien. Das gelte auch für den Vorbehalt. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Beigeladene, dass eine vergaberechtskonforme Vergabe nach erneuter Durchführung der Wertung dann möglich sei, wenn die Auftraggeberin von dem Vorbehalt keinen Gebrauch mache. Auch eine mit dieser Rechtsauffassung des Senats verbundene Anweisung zur erneuten Wertung der Angebote sei also geeignet, ein vergaberechtskonformes Verfahren zu sichern und mithin als milderes Mittel ggü. der von der Vergabekammer angeordneten Aufhebung der gesamten Ausschreibung geboten.

Die Beigeladene beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Auftraggeberin zu verpflichten, das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt vor der Wertung der Angebote zu wiederholen.

Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde der Bei...

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