Leitsatz (amtlich)
Schließen sich die Begehren der Parteien im Berufungsverfahren dergestalt gegenseitig aus, dass der Erfolg des einen Rechtsmittels zwangsläufig den Misserfolg der anderen Berufung zur Folge hat, so ist für die Streitwertbemessung lediglich der höhere der beiden Werte maßgebend. Eine Zusammenrechnung findet nicht statt.
Normenkette
GKG § 45 Abs. 1 S. 3, Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 336/06) |
Tenor
Die Gegenvorstellung des Klägervertreters gegen die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren gemäß Beschluss des Senates vom 23.5.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die nur als eigener Rechtsbehelf des Klägervertreters zulässige Gegenvorstellung, mit der eine Erhöhung der für das Berufungsverfahren erfolgten Streitwertfestsetzung angestrebt wird, ist unbegründet. Die jeweiligen Werte der Berufungen der Parteien sind nicht zusammenzurechnen.
Gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 GKG ist bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln, die in einem Prozess verhandelt werden, nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, sofern sie denselben Gegenstand betreffen. Die Berechnung des Streitwertes erfolgt dabei nur nach dem höheren Wert, wenn sich die Ansprüche gegenseitig ausschließen (BGH RR 2005, 130 = BGH v. 6.10.2004 - IV ZR 287/03, BGHReport 2005, 130 = NJW-RR 2005, 506; OLG Hamm v. 5.2.2002 - 7 WF 20/02, FamRZ 2002, 1642 f.; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 45 GKG Rz. 37). Regelungszweck der Vorschrift des § 45 GKG ist nämlich Kostengerechtigkeit. Der Gebührenstreitwert soll gering gehalten werden, sofern die gemeinschaftliche Behandlung von Klage und Widerklage bzw. beider Rechtsmittel die Arbeit des Gerichts vereinfacht (BGH, a.a.O.).
Genau das ist hier der Fall, denn beide Rechtsmittel beziehen sich auf den identischen Gegenstand. Sie schließen sich gegenseitig aus. Der Senat könnte nicht
- auch nicht teilweise - beiden Berufungen stattgeben. Vielmehr würde sich aus dem (Teil-)Erfolg eines Rechtsmittels zwangsläufig die Unbegründetheit des anderen ergeben.
Dies wäre z.B. dann anders, wenn sich die Berufungen der Parteien getrennt voneinander auf unterschiedliche Schadenspositionen bezögen (vergl. hierzu u.a. Hartmann, a.a.O., § 45 GKG, Rz. 23 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Vielmehr streiten die Parteien ausschließlich über die Frage der Haftungsquote aus dem Verkehrsunfall vom 6.7.2006. Hätte insoweit eine der Parteien Erfolg mit einer Veränderung der Quote zu ihren Gunsten, führte dies automatisch zum Misserfolg des gegnerischen Rechtsmittels.
Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Rechtsmittel beider Parteien wirtschaftlich betrachtet nicht auf das identische Interesse gerichtet sind, sondern eine Partei die Erhöhung des Zahlbetrages, die andere dessen Herabsetzung begehrt. Denn der Senat entscheidet nach dem Erlass des Urteils erster Instanz tatsächlich maximal über einen Betrag in Höhe des höheren Wertes der beiden Berufungen, nicht mehr hingegen über den vollen ursprünglich streitbefangenen Betrag. Wie bereits ausgeführt, kann es nicht zu einem - auch nur teilweisen - Erfolg beider Rechtsmittel kommen, da sie sich nicht auf unterschiedliche Gegenstände im Sinne des Kostenrechts beziehen.
Für die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, auf die § 45 Abs. 2 GKG ausdrücklich verweist, sind Ansprüche, die in Klage und Widerklage geltend gemacht werden, nicht zusammenzurechnen, wenn beide Ansprüche nicht nebeneinander bestandsfähig sind. Das ist der Fall, wenn zwar beide Ansprüche abgewiesen werden könnten, nicht aber beiden gleichzeitig stattgegeben werden kann (BGH, a.a.O.; Hartmann, a.a.O., § 45 GKG, Rz. 10). Deshalb kommt es auf den zivilprozessrechtlichen Streitgegenstandsbegriff nicht an.
Fundstellen
AGS 2008, 39 |
OLGR-Nord 2007, 794 |