Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgenossenschaft setzt inneren Zusammenhang der Lebenssachverhalte voraus
Normenkette
ZPO §§ 36, 60
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 2 O 60/05) |
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit der beim LG Hannover erhobenen Klage will die Antragstellerin die Antragsgegner als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schmerzensgeld von 15.000 EUR und weiteren Schadensbeträgen sowie jeweils die Antragsgegner zu 1) und 2) bzw. zu 3) und 4) auf Zahlung weiterer Beträge sowie alle Antragsgegner als Gesamtschuldner auf Feststellung in Anspruch nehmen. Grundlage der Klageforderung sind zwei Verkehrsunfälle, an denen die Antragstellerin beteiligt war. Am 6.10.2002 erlitt sie einen Auffahrunfall in H. als Insassin eines Pkw VW Polo mit B. Kennzeichen, auf den der bei der Antragsgegnerin zu 1) versicherte Antragsgegner zu 2) aufgefahren sein soll; dabei habe sie ein HWS-Schleudertrauma erlitten und sei 12 Tage arbeitsunfähig gewesen. Am 18.7.2003 habe sie einen weiteren Unfall auf der BAB ... kurz vor dem Frankfurter Kreuz erlitten; die Antragstellerin sei Beifahrerin in einem Pkw mit G. Kennzeichen gewesen, welcher auf den ohne Warnblinklicht auf der rechten Fahrspur stehenden Pkw des bei der Antragsgegnerin zu 3) versicherten Pkw des Antragsgegners zu 4) aufgefahren sei. Nach diesem Unfall sei die Antragstellerin ins Krankenhaus eingeliefert und dort ambulant behandelt worden. Infolge des zweiten Unfalls sei eine Distorsion im HWS-Bereich diagnostiziert worden. Die Antragstellerin leide nunmehr unter beträchtlichen Schmerzen, welche ihr die Fortsetzung ihres Studiums der Kunstgeschichte und die Arbeit an ihrer Magisterarbeit erschwert und fast unmöglich gemacht hätten. Sie könne nicht sagen, durch welchen Unfall sie im Einzelnen welche Verletzungen erlitten habe; allerdings belegten die ärztlichen Atteste, dass ihre Leiden unfallbedingt seien.
Das LG Hannover hat auf seine Unzuständigkeit wegen der Klage gegen die Antragsgegner zu 3) und 4) wegen des zweiten Unfalls im Frankfurter Raum hingewiesen; es hat ferner die Möglichkeit einer Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts durch das übergeordnete Gericht erörtert, jedoch Zweifel daran geäußert, dass die Antragsgegner Streitgenossen i.S.v. § 60 ZPO seien. Die Antragstellerin hat gleichwohl einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts gestellt. Die Antragsgegner halten den Antrag für unbegründet, weil es um zwei völlig verschiedene Lebenssachverhalte gehe.
II. Das OLG Celle ist nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung über den Antrag berufen, weil die allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegen und das zuerst mit der Sache befasste LG Hannover dem OLG Celle nachgeordnet ist.
Der Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts wird zurückgewiesen.
Zwar liegen die formalen Voraussetzungen dafür vor, denn die Antragsgegner haben weder einen gemeinsamen allgemeinen noch einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand; eine Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist für alle Arten der Streitgenossenschaft möglich, nicht nur bei notwendiger, sondern schon bei einfacher Streitgenossenschaft i.S.v. §§ 59, 60 ZPO (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 14). Der Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts scheitert aber daran, dass die beabsichtigte Inanspruchnahme der Antragsgegner zu 1) und 2) einerseits und andererseits der Antragsgegner zu 3) und 4) als Streitgenossen nicht berechtigt ist. Das über den Bestimmungsantrag entscheidende Gericht hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Tatbestands der Streitgenossenschaft schlüssig vorgetragen sind, auch wenn die Schlüssigkeit der Klage darüber hinaus im Bestimmungsverfahren nicht geprüft wird (BayObLG v. 21.8.2002 - 1Z AR 86/02, NJW-RR 2003, 134). Bei der Annahme von (einfacher) Streitgenossenschaft ist ein großzügiger Maßstab geboten und die Voraussetzungen des § 60 ZPO sollten immer dann bejaht werden, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist (OLG Hamm v. 12.1.2000 - 1 Sbd 98/99, NJW 2000, 1347). Jedoch setzt die Annahme einer einfachen Streitgenossenschaft nach dem Wortlaut des § 60 ZPO gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche und Verpflichtungen voraus; das bedeutet zwar nicht, dass der Lebenssachverhalt wenigstens teilweise identisch sein müsste. Wohl aber muss bei einer Mehrheit von selbständigen Lebenssachverhalten auf Beklagtenseite ein innerer Zusammenhang bestehen (BGH v. 23.5.1990 - I ARZ 186/90, MDR 1991, 222 = NJW-RR 1991, 381; KG v. 27.6.2000 - 28 AR 171/99, KGReport Berlin 2000, 332 = MDR 2000, 1394; BayObLG v. 21.8.2002 - 1Z AR 86/02, NJW-RR 2003, 134; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 60 Rz. 7). Ein solcher inn...