Entscheidungsstichwort (Thema)

Anweisung zur Aufhebung unzulässiger Parallelausschreibung von Amts wegen im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Ausschreibung von Bau- und Dienstleistungen ist dann als „Parallelausschreibung” unzulässig, wenn die Vergleichbarkeit der Angebotsvarianten und die Transparenz der Bewertungskriterien nicht gegeben ist und die Ausschreibung nicht der Beschaffung einer bestimmten Leistung dient, sondern der Markterkundung und Wirtschaftlichkeitsberechnung.

2. Wendet sich die Vergabestelle mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer, wonach Angebote abweichend von der Vergabeempfehlung zu werten sind, ist die Beschwerde unbegründet, wenn eine unzulässige Parallelausschreibung vorliegt. In diesem Fall hat der Vergabesenat von Amts wegen auf eine Aufhebung des Vergabeverfahrens hinzuwirken.

 

Normenkette

GWB §§ 97, 114, 123

 

Verfahrensgang

Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg (Aktenzeichen 203 VgK 6/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Vergabestelle wird zurückgewiesen.

Infolge der Rechtsmittel wird die Vergabestelle angewiesen, das Ausschreibungsverfahren als nicht vergaberechtmäßig zu behandeln.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Vergabestelle.

 

Gründe

I. Sachverhalt

A. Die Vergabestelle hat am 25.8.2000 die Abwasserbehandlung für die Stadt B. ab dem 1.1.2003 EU-weit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Dabei wurden die Bieter zur Abgabe eines Angebotes auf mindestens eine von sechs Angebotsvarianten entsprechend S. A 4 der Verdingungsunterlagen aufgefordert. Bewertungskriterien wurden auf S. A 13 und 14 dargestellt.

Für die Belastungsgrößen sollte (S. A 8) optional die Mitbehandlung der Abwasser aus der … einbezogen werden.

Die Submission erfolgte am 5.12.2000 nach einem abgeleiteten „Kostenbarwert”. Die Auswertung der Angebote schloss mit der Vergabeempfehlung (Ordner 2 Ziff. 9 S. 1). Dies teilte die Vergabestelle den nicht berücksichtigten Bietern mit.

B. Daraus entwickelten sich drei Vergabenachprüfungsverfahren, die Vergabekriterien beanstanden.

1. Im Verfahren 13 Verg 9/01 sah sich die …, die Beigeladene zu 5) im vorliegenden Verfahren, vergaberechtswidrig hinsichtlich ihrer Angebote NA 4 und NA 5 benachteiligt. Sie hat geltend gemacht, der Auftrag solle entgegen § 97 Abs. 5 GWB nicht auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Denn ihr eigenes Angebot auf der Variante NA 5 sei das wirtschaftlichste Angebot. Die Auswertung weise sechs Fehler auf:

a) Ihr Dienstleistungsangebot werde unzulässigerweise mit Grundstücksvorhaltskosten i.H.v. 1.710.000 DM belastet.

b) Es werde ebenfalls unzulässig mit Abbruchkosten für die alte Kläranlage i.H.v. 1.300.000 DM belastet.

c) Der Baukostenzuschuss der … werde für ihr Angebot nicht, jedoch zugunsten der Angebote, die die Erstellung neuer Kläranlagen zum Inhalt haben, berücksichtigt.

d) Die Betriebskosten für die Angebotsvarianten HA und NA 1 seien unzulässig herabgesetzt worden, was zu einer Benachteiligung hinsichtlich des Barwertes führe.

e) Ihr Dienstleistungsangebot sei zu Unrecht mittelbar mit Wagniszuschlägen dadurch belastet worden, dass diese nicht zu Lasten der Angebote, die Bauleistungen zum Gegenstand haben, berücksichtigt wurden. Diese müssten, um eine Vergleichbarkeit herzustellen, mindestens um 5 % der Herstellungskosten erhöht bewertet werden.

f) Die Zinssätze, die den maßgeblichen Kostbarwert beeinflussen, seien zu niedrig angenommen.

2. Im Vergabeverfahren 13 Verg 10/01 hatte die dortige Antragstellerin beanstandet:

a) Die Vergabestelle habe ihr Angebot NA 2 zu Unrecht aus der Wertung ausgeschlossen. Das vorgeschlagene Verfahren stelle auf Dauer die wirtschaftlichste Lösung dar.

b) Die … sei gem. § 8 Nr. 6 VOB/A und 7 Nr. 6 VOL/A als Anstalt Öffentlichen Rechtes aus dem Wettbewerb ausgeschlossen.

c) Die Vergabestelle habe zu Unrecht das „echte Nebenangebot” zur Option NA 1 nicht zutreffend gewertet. Überhaupt sei die Vergleichbarkeit der Angebote in der Wertung von der Vergabestelle nicht hergestellt worden, was im Einzelnen wegen 23 Punkten (S. 352–353 der Vergabeakten) beanstandet wird.

3. Im vorliegenden Verfahren 13 Verg 11/01 machte die Antragstellerin Verstöße gegen die §§ 25, 25a VOB/A, 97 Abs. 3 GWB geltend. Sie vertrat die Auffassung, dass ein Zuschlag auf die von der Vergabestelle favorisierte Variante HA nicht in Betracht komme, weil dies im Gegensatz zu allen anderen Varianten nicht die von der … offenbar beabsichtigten Mitbehandlung des Abwassers aus der … berücksichtigte. Denn für diese sei lediglich wegen der Angebote NA 2 und NA 5 die Mitbehandlung des Abwassers als Nebenangebot abgefragt.

Tatsächlich sei aber eine Anpassung der Angebotssummen durch Nachverhandlungen nötig, die allerdings (§ 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A und 24 Nr. 3, 2. Hs VOB/A) hier nicht zulässig seien.

Auch ansonsten sei die Wertung der Angebote fehlerhaft. Bei der Wertung der Angebote NA 1 bis NA 4 sei der Sondervorschlag der Antragstellerin auf Verzicht des Verbaus nicht berücksichtigt worden.

Bei den...

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