Leitsatz (amtlich)
1. Ist Gegenstand eines Klageerzwingungsantrages der Vorwurf der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB), so sind die gemäß § 395 Abs. 2 StPO zur Nebenklage berechtigten Angehörigen auch Verletzte im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO.
2. Der für die Antragsbefugnis notwendige vorherige Strafantrag im Sinne des § 171 StPO, liegt bereits vor, wenn der Verletzte der Staatsanwaltschaft einen tatsächlichen Sachverhalt mitteilt, aus dem sich der Verdacht einer Straftat ergibt, und dabei eindeutig zu erkennen gibt, dass er im Falle der Begründetheit seines Verdachts die Strafverfolgung wünscht.
3. Im Klageerzwingungsverfahren sollen eigene Ermittlungen des Oberlandesgerichts nach § 173 Abs. 3 StPO in erster Linie "lückenschließender" Art sein und nicht darauf hinauslaufen, dass das Oberlandesgericht das Ermittlungsverfahren überwiegend oder vollständig führt. Daher kommt eine Anordnung an die Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, insbesondere dann in Betracht, wenn der Sachverhalt zwar durch die Staatsanwaltschaft in einem beschränkten Umfang aufgeklärt worden ist, diese Aufklärung aber nach Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts in einem wesentlichen Kernbereich des Sachverhalts so unvollständig ist, dass weitere umfangreiche Ermittlungen notwendig sind.
Normenkette
StPO §§ 172-173; StGB § 222
Tenor
Der Staatsanwaltschaft Hildesheim wird aufgegeben, die Ermittlungen nach Maßgabe der nachfolgenden Beschlussgründe wieder aufzunehmen.
Gründe
I. Die Antragsteller sind die Ehefrau bzw. die Kinder des am 5. Januar 1939 geborenen und am 10. Juli 2009 im Klinikum H. verstorbenen A. Sch. Sie legen den beschuldigten Ärzten zur Last, den Tod des Herrn Sch. durch ärztliche Behandlungsfehler fahrlässig verursacht zu haben (§ 222 StGB).
1. Am 26. Januar 2009 wurde bei Herrn Sch. in der Klinik für Viszeral, Gefäß und Thoraxchirurgie des Klinikums H. eine elektive Sigmaresektion durchgeführt, nachdem es wiederholt zu Sigmadivertikelblutungen gekommen war. Wegen einer Nachblutung und weiterer Komplikationen mussten in der Folgezeit zahlreiche weitere Operationen durchgeführt werden. Schließlich verstarb Herr Sch. am 10. Juli 2009 an Multiorganversagen. Die Antragsteller ließen sich vom Klinikum H. Kopien der Behandlungsunterlagen aushändigen und sorgten dafür, dass der Leichnam des Verstorbenen zum Zentrum für Pathologie und Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. transportiert wurde. Nachdem sie der dortige Obduzent Prof. Dr. med. G. nach einer ersten Leichenbesichtigung darüber informiert hatte, dass Anhaltspunkte für ein ärztliches Fehlverhalten vorlägen, teilte der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller, Rechtsanwalt Dr. D., den Sachverhalt am 13. Juli 2009 im Namen der Antragsteller telefonisch der Staatsanwaltschaft Hildesheim mit. Diese leitete hierauf ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, erwirkte durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Hildesheim die Anordnung der Leichenöffnung und beauftragte sodann die Universitätsmedizin G. mit der Obduktion. In ihrem vorläufigen Gutachten vom 15. Juli 2009 benannten die Obduzenten Prof. Dr. med. G. und Dr. med. O. als Todesursache: "Multiorganversagen, insbesondere bei einer schweren eitrigen Infektion der Lunge". Weiter führten sie aus, dass für eine abschließende Beurteilung die Vorlage der Krankenunterlagen erforderlich sei. Es empfehle sich die Beiziehung eines Abdominalchirurgen, um "insbesondere die Frage einer korrekten Indikation zum laparoskopischen Eingriff bei Zustand nach früherer Milzentfernung (mit zu erwartenden Verwachsungen) abklären zu lassen". Im Rahmen der "gewählten Operationsmethode" hätten "zweifellos erschwerte Bedingungen" vorgelegen, so dass "die Komplikation einer (kleinen) Gefäßverletzung eher habe auftreten können als bei einer nicht voroperierten Bauchhöhle". Ebenso erscheine es "nachvollziehbar, dass die aufgewandten mechanischen Zugkräfte zur Lösung des Sigma und/oder die hämodynamischen Störungen infolge des Blutungsschocks zu der Bauchspeicheldrüsenentzündung führten, die wiederum multiple Folgeeingriffe erforderlich machte".
2. Mit Schreiben ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 13. August 2009 überreichten die Antragsteller der Staatsanwaltschaft die ihnen vorliegenden Kopien der Krankunterlagen sowie eine Stellungnahme, in der Zweifel an einer ordnungsgemäßen Behandlung des Verstorbenen geäußert werden. Mit Verfügung vom 19. August 2009 leitete die Staatsanwaltschaft Hildesheim ein Ermittlungsverfahren gegen "Ärzte des Klinikums H. wegen fahrlässiger Tötung" ein. Nachdem die Ärztekammer N. auf Anfrage der Staatsanwaltschaft den Sachverständigen Prof. Dr. med. K., Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein, Viszeral und Transplantationschirurgie der Medizinischen Hochschule H., benannt hatte, beauftragte die Staatsanwaltschaft diesen am 11. November 2009 mit der Erstattung eines medizinischen Gutachtens zur Frage eines ärztlichen Fehlverhaltens bei der Behandlung des Herrn Sch. im K...