Leitsatz (amtlich)

Der Antrag, ein selbständiges Beweisverfahrens einzuleiten, ist mutwillig i.S.v. § 114 ZPO, wenn die in diesem Verfahren festzustellenden Behauptungen oder Tatsachen bereits Gegenstand eines kurzfristig zurückliegenden anderen Rechtsstreits - auch innerhalb einer anderen Gerichtsbarkeit (hier: Klage vor dem Sozialgericht) - waren und dort umfassend und abschließend gewürdigt wurden; das gilt jedenfalls dann, wenn nach Abschluss des früheren Verfahrens kein wesentlich geänderter Sachstand vorliegt.

Der Antrag, ein selbständiges Beweisverfahren einzuleiten, ist mutwillig, wenn bei Würdigung des Vortrags des Antragstellers eine Beweisbedürftigkeit entfällt und deshalb eine Beweiserhebung im Hinblick auf das Ziel eines selbständigen Beweisverfahrens wertlos wäre.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 485, 487

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 06.10.2005; Aktenzeichen 6 OH 8/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 48.000 EUR.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Wie vom LG im angefochtenen Beschluss zu Recht angenommen, ist die vom Antragsteller beabsichtigte Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mutwillig.

1. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren bedarf einer gesonderten Bewilligung. Voraussetzung ist die Darlegung und ggf. Glaubhaftmachung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 485, 487 ZPO (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 490 Rz. 5, m.w.N.). Für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist daneben nicht entscheidend, ob eine eventuell später zu erhebende Klage Erfolgsaussichten hätte; maßgeblich ist allein, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das selbständige Beweisverfahren vorliegen (OLG Hamm BauR 2005, 1360; OLG Celle BauR 2004, 1659).

2. Darüber hinaus ist im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens aber auch zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheint, § 114 S. 1 ZPO. Mutwillig wäre ein selbständiges Beweisverfahren dann, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil abzusehen ist, dass das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit weder einer gütlichen Einigung dienen noch in einem Rechtsstreit Nutzen bringen wird (OLG Koblenz v. 24.10.2000 - 3 W 670/00, OLGReport Koblenz 2001, 214; OLG Oldenburg BauR 2002, 825). Denn ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO - ein Fall gem. Abs. 1 dieser Vorschrift liegt nicht vor - soll mit seinem Beweisergebnis die Voraussetzung für ein erfolgversprechendes Güteverfahren schaffen, also unter Meidung eines sonst zu erwartenden Prozesses eine gütliche Einigung der Parteien in einem vereinfachten und beschleunigten Verfahren ermöglichen; Ziel des Verfahrens ist also die Entlastung der Gerichte von Prozessen, deren Streitfragen weniger rechtlich als tatsächlicher Art sind und für deren Entscheidung daher das Fachgutachten eines Sachverständigen eine maßgebliche Bedeutung hat (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 485 Rz. 6).

Von mutwilliger Beantragung eines selbständigen Beweisverfahrens ist ebenso auszugehen, wenn die durch dieses Verfahren zu klärenden Behauptungen oder nachzuweisenden Tatsachen bereits Gegenstand eines kurzfristig zurückliegenden anderen Gerichtsverfahrens waren und dort umfassend und abschließend gewürdigt wurden. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Antragsteller über die bereits im vorangehenden Verfahren der anderen Gerichtsbarkeit (hier: Klage vor dem Sozialgericht) gewürdigten Stellungnahmen und Gutachten hinaus keine neuen Erkenntnisse beibringt. Unter diesen Umständen entfällt zwar noch nicht das rechtliche Interesse i.S.v. § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO, weil dieses erst dann zu verneinen ist, wenn kein Rechtsverhältnis, kein möglicher Prozessgegner oder kein Anspruch ersichtlich ist (OLG Celle BauR 2004, 1659; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 485 Rz. 7a), m.w.N.). Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist jedoch mutwillig, wenn bei Würdigung des Vortrags des Antragstellers eine Beweisbedürftigkeit entfällt und deshalb eine Beweiserhebung im Hinblick auf das erwähnte Ziel eines selbständigen Beweisverfahrens wertlos wäre.

So liegt es hier.

a) Wie im angefochtenen Beschluss erwähnt, waren die vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen und Beschwerden aus dem Verkehrsunfall vom 15.11.1997 bereits Gegenstand der Verfahren vor dem Sozialgericht Stade und Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, das die dort vom Kläger begehrten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit Urt. v. 16.1.2003 (Bl. 234 d. Beiakte der Bau-BG Hannover [BA]) rechtskräftig abgewiesen hat; die gegen dieses Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 5.5.2003 verworfen worden (Bl. 254 BA). In jenem Verfahren sind im Einzelnen und wiederholt die vom Antragsteller vorgelegten zahlreichen ärztlichen Stellungnahmen un...

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