Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtskostenermäßigung nach Aufhebung des Ersturteils, Zurückverweisung und anschließendem Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Gerichtskostenermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG tritt regelmäßig nicht ein, wenn der Rechtsstreit erst durch Vergleich beendet wird, nachdem das Revisionsgericht ein Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat. Werden die Kosten für das Verfahren bis zur Verkündung des Berufungsurteils jedoch wegen unrichtiger Sachbehandlung gem. § 21 GKG nicht erhoben, liegen die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der im weiteren Verfahren angefallenen Gerichtskosten vor.

 

Normenkette

KV GKG Nr. 1211

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Aktenzeichen 10 O 130/06)

 

Tenor

Die am 4.9.2012 vorab per Telefax beim OLG eingegangene Erinnerung des Kostenschuldners vom 5.9.2012 gegen den Kostenansatz der Schlusskostenrechnung der Kostenbeamtin des OLG Celle vom 31.7.2012 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 66 Abs. 1 GKG zulässige Erinnerung ist unbegründet.

I. Zu Recht hat die Kostenbeamtin eine Gebührenermäßigung gem. Nr. 1211 KV-GKG abgelehnt, weil die Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestandes nicht vorliegen.

1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 KV-GKG ermäßigt sich bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach dem eindeutigen Wortlaut des Gebührentatbestandes Nr. 1211 S. 1, Halbs. 2 KV-GKG nur dann, wenn noch kein anderes als eines der in Nr. 1211 Nr. 2 KV-GKG genannten Urteile vorausgegangen ist.

Nr. 1211 KV-GKG differenziert dabei nicht nach der Art und dem Gegenstand des Urteils, also nicht danach, ob das vorausgegangene Urteil den Streitgegenstand ganz erledigte oder es sich nur um ein Teilurteil handelte (OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1535, Rz. 16 f.; OLG Koblenz MDR 2005, 119), und es ist nicht einmal von Bedeutung, ob das Urteil überhaupt den Streitgegenstand der Hauptsache betraf (OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1231, Rz. 5).

Auch die Motive (BT-Drucks. 12/6962, 70) lassen erkennen, dass Voraussetzung für eine gebührenermäßigende Beendigung des Verfahrens in jedem Fall das Fehlen eines vorausgegangenen Urteils sein soll. Damit ist etwa dann kein Raum für eine Ermäßigung, wenn ein Versäumnisurteil nach § 331

Abs. 3 ZPO erlassen worden ist und in dem nach Einspruch angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage zurückgenommen wird (OLG München MDR 1996, 968, Ls. 1). Nichts anderes gilt für den Fall, dass das Versäumnisurteil nur den zunächst eingeklagten Anspruch betraf und darin nicht eine spätere Klageerweiterung einbezogen war, die dann ebenfalls Gegenstand der umfassenden gütlichen Einigung der Parteien wird (OLG Hamburg MDR 1998, 623, Ls. 2).

2. Etwas anderes gilt auch nicht im Falle der Aufhebung eines Urteils im Revisionsverfahren und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das zweitinstanzliche Gericht bei dann nachfolgendem gerichtlichem Vergleich (Meyer GKG/FamGKG, 13. Aufl., § 38 Rz. 2; OLG Nürnberg MDR 2003, 416, Rz. 6 und Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann-Zimmermann, 2. Aufl., § 37 GKG, Rz. 2 jeweils für die Klagerücknahme bei Aufhebung im Berufungsverfahren). Es handelt sich bei den beiden Verfahrensabschnitten des ersten Rechtszuges vor und nach dem Berufungsverfahren um dieselbe gebührenrechtliche Instanz (Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann-Zimmermann, 2. Aufl., § 37 GKG, Rz. 1).

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, die Aufhebung des Urteils im Revisionsverfahren führe dazu, dass ein vorausgegangenes Urteil i.S.d. Nr. 1211 S. 1, Halbs. 2 KV-GKG nicht mehr vorliege und somit der Ermäßigungstatbestand Anwendung finde. Die Ermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG hängt nicht davon ab, ob das vorausgehende Urteil Bestand hatte oder nicht (OLG Nürnberg a.a.O. Rz. 7). So ist auch in den Fällen der Klagerücknahme oder des Vergleichsschlusses ein vorausgegangenes Hauptsacheurteil wirkungslos. Daher kann der - soweit ersichtlich nur von Hartmann (Kostengesetze, 42. Aufl., § 37 GKG, Rz. 2) ohne nähere Begründung und entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 1211 KV-GKG vertretenen - Auffassung nicht gefolgt werden, nach einer Zurückverweisung kämen noch die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1211 KV-GKG zum Zuge.

Für die Nichtanwendung des Ermäßigungstatbestandes der Nr. 1211 KV-GKG spricht auch, dass die Regelung der Prozesswirtschaftlichkeit dienen soll, indem sie dem Gericht die Auseinandersetzung mit dem Sachstand und der Rechtslage erspart und im Gegenzug das entsprechende Verhalten der Prozessparteien durch eine Gebührenermäßigung honoriert (BVerfG NJW 1999, 3550, Rz. 19, Hartmann, a.a.O., Nr. 1211 KV-GKG, Rz. 2). Dies muss bei der Auslegung mit beachtet werden, wobei sich auf Grund des Ausnahmecharakters des Ermäßigungstatbestands eine weite Auslegung verbietet (OLG Koblenz MDR 2005, 119; OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 942, Rz. 8). Mit Erlass des später aufgehobenen Urteils ist der Arbeitsaufwand des Erstrichters (oder wie vo...

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