Leitsatz (amtlich)
Eine Kündigung des Verbraucherdarlehensvertrages durch den Darlehensgeber ohne vorherige Fristsetzung mit Kündigungsandrohung nach § 498 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB ist unwirksam. § 326 Abs. 2 BGB a.F. ist ebenso wenig anwendbar wie § 323 Abs. 2 BGB.
Normenkette
BGB § 498 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 28.09.2006; Aktenzeichen 6 O 236/06) |
Tenor
Der Beschluss des LG Hildesheim vom 28.9.2006 wird teilweise abgeändert; der Beklagten wird für die Durchführung des Rechtsstreits erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A.J., V., bewilligt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem gekündigten Darlehensvertrag in Anspruch.
Die Beklagte und ihr Ehemann schlossen mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (zukünftig: Klägerin) unter dem 28.8.2000 einen Darlehensvertrag.
Wegen Zahlungsverzugs kündigte die Klägerin ggü. der Beklagten mit Schreiben vom 30.1.2006 den Kredit "mit sofortiger Wirkung", stellte eine Gesamtforderung von 8.451,98 EUR fällig und verlangte, dass dieser Gesamtbetrag innerhalb von 14 Tagen bei ihr eingehen müsse.
Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, auf Grund einer Vereinbarung der Klägerin mit ihrem Ehemann, von dem sie getrennt lebt, sei der Darlehensvertrag aufgehoben worden. Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen hätten weder sie noch ihr Ehemann erhalten.
Das LG hat der Beklagten mit Beschluss vom 28.9.2006 Prozesskostenhilfe insoweit bewilligt, als sie sich gegen den geltend gemachten Zinsanspruch wendet und ihren Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Die Vereinbarung der Klägerin mit dem Mitdarlehensnehmer berühre die Verpflichtung der Beklagten nicht. Der Darlehensvertrag sei auch wirksam gekündigt worden. Jedenfalls in der der Beklagten zugestellten Anspruchsbegründung vom August 2006 sei eine wirksame Kündigung zu sehen.
Gegen die Verweigerung der Prozesskostenhilfe wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde vom 18.10.2006. Eine wirksame Kündigung könne auch nicht in der Zustellung der Anspruchsbegründung gesehen werden.
Das LG hat mit Beschluss vom 19.10.2006 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG vorgelegt.
II. Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde der Beklagten ist zulässig, namentlich fristgerecht eingelegt worden (§§ 127 Abs. 2 S. 2, 3, 567 ff. ZPO). Sie ist auch begründet; die Rechtsverteidigung der Beklagten bietet die von § 114 ZPO geforderte hinreichende Aussicht auf Erfolg, da es an einer wirksamen Kündigung des Darlehensvertrages fehlt.
1.a) Allerdings ergibt sich für die Beklagte nichts aus ihrem Vortrag, die Klägerin habe eine Stundungs- oder andere Änderungsvereinbarung allein mit ihrem Ehemann, von dem sie mittlerweile getrennt lebt, geschlossen. Dieser Vortrag kann als richtig zugrunde gelegt werden; die Klägerin hat mittlerweile auch eine mündliche Stundungsvereinbarung mit dem Ehemann der Beklagten bestätigt. Der Klägerin blieb es unbenommen, eine Abrede allein mit dem Ehemann der Beklagten zu treffen. Eine Stundungsabrede mit dem Ehemann der Beklagten hat lediglich Wirkung diesem gegenüber, § 425 BGB; § 423 BGB ist demgegenüber nicht anwendbar. Die Aufzählung der Umstände, die nur Einzelwirkung haben, ist in § 425 Abs. 2 BGB lediglich beispielhaft. Solche Umstände, für die das Gesetz nicht ausdrücklich eine Gesamtwirkung anordnet, haben im Zweifel nur Einzelwirkung (s.a. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, AT, 14. Aufl., S. 640 f.). Die Annahme der Beklagten, durch die Vereinbarung mit ihrem Ehemann sei der Vertrag mit der Klägerin aufgehoben worden, ist demgegenüber unzutreffend.
b) Weiter ist ohne Bedeutung, ob allein der Ehemann der Beklagten Leistungen auf den Vertrag erbracht hat. Der Vortrag der Beklagten erhellt nicht, aus welchem Grund sie entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages, der Ausgangspunkt der Vertragsauslegung ist (vgl. BGH v. 23.3.2004 - XI ZR 114/03, MDR 2004, 820 = BGHReport 2004, 1031 m. Anm. Assies = WM 2004, 1083 [1084]; v. 25.1.2005 - XI ZR 325/03, BGHReport 2005, 652 m. Anm. Krüger = MDR 2005, 701 = WM 2005, 418 [419]), nicht Mitverpflichtete aus dem Vertrag sein sollte.
c) Schließlich ist nicht ersichtlich, dass Verjährung eingetreten wäre (§ 497 Abs. 3 S. 3 BGB).
2. Es fehlt aber an einer wirksamen Kündigung des Darlehensvertrages.
Auf vorliegenden Sachverhalt findet das BGB i.d.F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Anwendung, Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB. Gemäß § 498 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag nur kündigen, wenn er dem Darlehensnehmer erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange.
Dem hat die Klägerin nicht entsprochen. Sie hat auf den Hinweis des Senats vom 30.10.2006 mit Schriftsatz vom 7.11.2006 zwar vorgetragen, dass die Beklagte mehrfach zur Zahlung aufgefordert worden sei. Dass der Beklagten eine Frist mit Kündigungsandrohung gesetzt worden sei,...