Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der marktbeherrschenden Stellung eines Gasversorgers
Leitsatz (amtlich)
›Bei der Prüfung, ob ein Gasversorgungsunternehmen "marktbeherrschend" i. S. von § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB ist, ist zu berücksichtigen, dass Gasversorgungsunternehmen auf dem Wärmemarkt in einem (Substitutions) Wettbewerb mit Anbietern konkurrierender Heizenergieträger stehen.‹
Gründe
I.
Die Betroffene und Beschwerdeführerin ist ein Gasversorgungsunternehmen. Sie beliefert in ihrem Versorgungsgebiet Endverbraucher mit Erdgas. Sie bezieht von ihrem Vorlieferanten das weitgehend in Deutschland geförderte LLGas. Die Beschwerdegegnerin beanstandet die von der Betroffenen in der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. März 2006 von den Endverbrauchern in den Abnahmemengen bis 20 kW/ha, bis 35.000 kW/ha und bis 90.000 kW/ha pro Jahr geforderten Gaspreise als missbräuchlich überhöht. Sie hat durch die angefochtene Verfügung vom 5. Dezember 2006
1. festgestellt, dass die Betroffene in ihrem Versorgungsgebiet in der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. März 2006 von den Endverbrauchern in den Abnahmemengen bis 20.000 kW/ha , bis 35.000 kW/ha und bis 90.000 kW/ha missbräuchlich überhöhte Jahresgesamtpreise gefordert hat, indem sie in der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005 Jahresgesamtpreise gefordert hat, die in der Abnahmemenge 20.000 kW/ha um 107,04 EUR, in der Abnahmemenge 35.000 kW/ha um 175,39 EUR und in der Abnahmemenge 90.000 kW/ha um 420,88 EUR überhöht waren, indem sie in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2006 von den Endverbrauchern Jahresgesamtpreise gefordert hat, die in der Abnahmemenge 20.000 kW/ha um 75,04 EUR, in der Abnahmemenge 35.000 kW/ha um 119,39 EUR und in der Abnahmemenge 90.000 kW/ha um 276,88 EUR überhöht waren,
2. angeordnet, dass die Betroffene ihren im Vollversorgungstarif versorgten Kunden die in den angegebenen Zeiträumen gemäß Ziffer 1 zuviel erhobenen Gaspreise entsprechend dem individuellen Gasverbrauch mit der Jahresabrechnung 2006 zurück zu erstatten hat, und zwar im Einzelnen folgende Beträge:
In der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005
in der Abnahmemenge bis 20.000 kW/ha 0,5 Cent pro Kilowattstunde,
in der Abnahmemenge bis 35.000 kW/ha 0,5 Cent pro Kilowattstunde und in der Abnahmemenge bis 90.000 kW/ha 0,45 Cent pro Kilowattstunde.
In der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2006
in der Abnahmemenge bis 20.000 kW/ha 0,35 Cent pro Kilowattstunde,
in der Abnahmemenge bis 35.000 kW/ha 0,3 Cent pro Kilowattstunde
und in der Abnahmemenge bis 90.000 kW/ha 0,3 Cent pro Kilowattstunde.
Zur Begründung hat die Beschwerdegegnerin ausgeführt, die Betroffene verstoße gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB, weil sie unter Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung Entgelte fordere, die erheblich von denjenigen abwichen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Die Betroffene habe in ihrem Netzgebiet eine marktbeherrschende Stellung i. S. von § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 2 GWB. In sachlicher Hinsicht gehe es vorliegend um die Belieferung von Endverbrauchern mit Erdgas. In räumlicher Hinsicht sei der Markt entsprechend der Ausdehnung des Netzgebietes der Betroffenen abzugrenzen. Als Vergleichsunternehmen seien die Stadtwerke G. und Q. heranzuziehen. Diese seien mit der Betroffenen strukturell vergleichbar. Von den Jahresgesamtpreisen dieser Vergleichsunternehmen wichen die Jahresgesamtpreise der Betroffenen erheblich ab. Abzustellen sei insoweit nicht auf Jahresdurchschnittspreise, sondern auf die Preise zu den Stichtagen 1. November 2005 und 1. Februar 2006. Nur eine derartige Berechnungsweise trage dem Umstand Rechnung, dass der überwiegende Anteil der Jahresabnahme durch die Kunden in der kalten Jahreszeit, also in der Zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des nächsten Jahres erfolge. Eines Sicherheitsabschlages bedürfe es vorliegend nicht. Ein solcher Abschlag sei nur dann vorzunehmen, wenn die Kartellbehörde ihre Entscheidung auf Basis einer schmalen Vergleichsgrundlage, und zwar lediglich unter Berücksichtigung eines einzigen Vergleichsunternehmens, vornehme. Vorliegend seien jedoch zwei Vergleichsunternehmen und drei verschiedene Abnahmefälle zur Beurteilung des Preishöhenmissbrauchs herangezogen worden. An der nachträglichen Feststellung der missbräuchlich hohen Preise bestehe bereits aus Gründen des Verbraucherschutzes ein berechtigtes Interesse. Die von ihr vorgenommene Feststellung sei für den Verbraucher nämlich zur Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche von Interesse und trage dazu bei, dass der Betroffenen kein kartellrechtswidrig erlangter Vermögensvorteil verbleibe. Die Verfügung zu Ziffer 2 finde ihre Ermächtigungsgrundlage in § 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 GWB.
Die Beschwerdeführerin hält die gegen sie ergangene Verbotsverfügung für rechtswidrig. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die Untersagungsverfügung sei bereits formell rechtswidrig. Die Beschwerdegegner...