Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung wegen vertanen Urlaubs von mehr als 50 % des Reisepreises bei Vereitelung der Reise infolge Flugausfalls - Kosten einer Urlaubsvertretung nicht ersatzfähig
Leitsatz (amtlich)
1. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach die Entschädigung wegen vertanen Urlaubs im Falle der vom Reiseveranstalter zu vertretenden vollständigen Vereitelung der Reise auf die Hälfte des Reisepreises beschränkt ist.
2. Erfährt der Reisende von dem Ausfall - trotz vorheriger Anfrage beim Reiseveranstalter - erst am Abreisetag beim Eintreffen am Flughafen und kommen weitere erschwerende Umstände hinzu, kann auch in einem solchen Fall vielmehr eine Entschädigung bis hin zur vollen Höhe des Reisepreises gerechtfertigt sein.
3. Ein freiberuflich tätiger Reisender hat neben dem Anspruch auf Entschädigung wegen vertanen Urlaubs nach der Vereitelung der Reise keinen Anspruch auf Ersatz der für ihn nicht mehr abwendbaren Kosten einer Urlaubsvertretung.
Normenkette
BGB a.F. § 651f Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 1 O 186/17) |
Tenor
I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht erfolgen kann. Die Berufung dürfte allerdings nicht in dem vom Kläger erstrebten Umfang Erfolg haben.
Die Berufung ist unzulässig und daher insoweit gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, als der Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung eines Koffers in Höhe von 40 EUR weiterverfolgt sowie den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
II. Termin zur mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf
Donnerstag, den 13. Juni 2019, 10:30 Uhr, Saal 150.
Gründe
I. Der Kläger, ein Notar mit Sitz in K., nimmt die Beklagte, einen großen Reisekonzern, nach der vollständigen Vereitelung einer Pauschalreise auf immateriellen Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs und auf Ersatz der Kosten der Notarvertretung in Anspruch.
Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Kos für sich, seine Ehefrau und seine zwei Kinder im Alter von damals 17 und 21 Jahren zum Preis von 7.008 EUR für den Zeitraum vom 8. bis zum 15. Oktober 2016. Die Unterbringung und Verpflegung auf Kos sollten im dortigen Robinson-Club erfolgen. Am Vortag des Abflugs informierte das Reisebüro den Kläger mittags über möglicherweise auftretende Probleme des am nächsten Tag um 3.00 Uhr geplanten Hinflugs. Auf telefonische Nachfrage des Klägers erklärte die Beklagte sodann nachmittags, dass sie Ersatzflüge beschaffen könne und die Reise stattfinde. Der Kläger begab sich mit seiner Familie am Abreisetag gegen 1 Uhr nachts zum örtlichen Flughafen. Dort erfuhr er, dass sein Flug ersatzlos gestrichen war. Er begab sich mit seiner Familie zurück nach Hause und buchte anschließend noch am selben Tage in dem Reisebüro eine Ersatzreise bei der Beklagten mit demselben Ziel, nunmehr für den Zeitraum vom 10. bis zum 19. Oktober 2016 und den Preis von 8.916 EUR. Am neu bestimmten Abreisetag begab sich der Kläger mit seiner Familie erneut zum örtlichen Flughafen. Dort erfuhr er, dass der Flug überbucht sei, er und seine Familie aber noch Aussicht auf eine Teilnahme daran hätten, wenn sie warteten. Nach längerer Wartezeit ergab sich Gegenteiliges. Der Kläger und seine Familie verbrachten die Urlaubszeit zu Hause.
Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs in voller Höhe des (zweiten vereinbarten) Reisepreises. Außerdem verlangt er vor allem Ersatz der Kosten, die er für die Anstellung eines pensionierten Richters als Notarvertreter für insgesamt zwei Wochen habe aufwenden müssen, nämlich 5.000 EUR; außerdem Schadensersatz in Höhe von jeweils 40 EUR für vergeblich aufgewendete Taxikosten und die Beschädigung eines Koffers. Auf die außergerichtliche Zahlungsaufforderung vom 9. November 2016 leistete die Beklagte vorgerichtlich eine Zahlung in Höhe von 4.458 EUR, das heißt in Höhe der Hälfte des Reisepreises.
Das Landgericht hat dem Kläger lediglich Schadensersatz in Höhe der Taxikosten zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt er die übrigen Zahlungsansprüche weiter.
II. Die Berufung dürfte jedenfalls zu einem Teil begründet sein.
1. Die Vorstellung des Klägers, für seine Familie und sich eine Entschädigung wegen vertanen Urlaubs in voller Höhe des Reisepreises zu erhalten, ist mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nicht vereinbar. Andererseits gilt im - hier vorliegenden - Fall einer vollständigen Vereitelung der Reise entgegen der Annahme der Beklagten auch keineswegs eine Begrenzung des Entschädigungsanspruchs auf die Hälfte des Reisepreises.
a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29. Mai 2018 (X ZR 94/17, juris Rn. 15) klargestellt, dass eine vollständige Vereitelung der Reise regelmäßig nicht dem Fall gleichzusetzen sei, in dem die Reise wegen Mängeln der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden ist, dass der Erfolg der Reise (nahezu) vollständig verfehlt worden und deshalb eine En...